Künstliche Intelligenz Was müssen wir über KI in der Schule wissen?

Von: Gregor Schmalzried

Stand: 23.11.2023

Die KI ChatGPT hilft schon heute Schülern und Lehrern bei unterschiedlichen Aufgaben - doch das ist nur der Anfang. Wie wird Künstliche Intelligenz die Schule in Zukunft verändern? Steht das Bildungssystem sogar vor einer Revolution?

Ein junger Schüler sitzt vor seinem Laptop und vergleicht selbstgeschriebene Texte mit Texten der KI ChatGPT. KI hilft bereits Schülern und Lehrern - doch das ist nur der Anfang. Wird Künstliche Intelligenz die Schule verändern?  | Bild: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Timothy D. Easley

ChatGPT: Die Lieblings-App für Schüler?

Es war eine der kuriosen Meldungen des Sommers 2023: Auf einmal gingen die Nutzerzahlen für den beliebten KI-Chatbot ChatGPT zurück. Was war los? Hatten die Menschen auf einmal das Interesse an der Künstlichen Intelligenz verloren? Oder war die KI einfach doch nicht so hilfreich wie bisher gedacht?
Die Antwort war eine andere: In der westlichen Welt, und vor allem in den USA, hatten die Sommerferien begonnen. Und das bedeutet: Schülerinnen und Schüler, die ChatGPT im großen Stil für Hausaufgaben und Nachhilfestunden benutzt hatten, hatten auf einmal andere Dinge im Sinn als die Schule - und damit auch weniger Interesse an der KI. Als im Herbst die Schule wieder begann, stiegen auch wieder die ChatGPT-Nutzerzahlen. Künstliche Intelligenz und Schule - bereits jetzt unzertrennlich.

Zukunft der Schule mit KI: Schüler, Lehrer und Künstliche Intelligenz

Künstliche Intelligenz: Wie nutzen Schüler heute schon KI-Chatbots?

Schülerinnen und Schüler waren schon immer schnell dabei, neue Technologien für sich zu nutzen. Vor über einem Jahrzehnt erkannten viele Jugendliche des Potential von Wikipedia und YouTube lange bevor es ihre Eltern taten - einfach weil es ihnen bei den Hausaufgaben half. Heute passiert das wieder - und zwar durch KI-Tools wie ChatGPT.

ChatGPT löst anspruchsvolle Aufgaben in wenigen Sekunden

KI-Chatbots können nicht nur Texte wiederholen, die bereits existieren - sie können sich auch ganz neue ausdenken. Das heißt, der Chatbot meistert auch ungewöhnliche Aufgaben, für die bisher tiefgründige Recherche notwendig war. Eine Aufgabe wie "Schreibe einen Aufsatz über die französische Revolution aus der Sicht eines deutschen Kaufmanns, der in eine Aristokratin verliebt ist" lässt sich zum Beispiel nicht durch eine einfache Google-Suche lösen. ChatGPT schreibt einen solchen Aufsatz in nur wenigen Sekunden.

KI-Chatbots liefern auch Erklärungen

Aber man kann sich mit der Künstlichen Intelligenz nicht nur fertige Lösungen ausgeben lassen. Wer mit der KI hin und her schreibt, kann sich von ihr auch Dinge erklären lassen - und Erklärungen in genau der Form geben lassen, die man sich wünscht. "Wie funktioniert die Schwerkraft?" erklärt ein Chatbot in der Regel erstmal als kurzen Text - wenn man ihn darum bittet, aber auch in Stichpunkten, in leichter Sprache oder mit Beispielen aus der Welt des Fußballs.

ChatGPT: So erklärt die KI die Schwerkraft anhand eines Beispiels aus der Fußball-Welt

Die Aufgabe an ChatGPT: Erkläre die Schwerkraft mit vier kurzen Beispielen aus der Welt des Fußballs.

Die Antwort von ChatGPT: Die Schwerkraft, auch Gravitation genannt, ist eine fundamentale Kraft, die dafür sorgt, dass alle Massen im Universum einander anziehen. Im Fußball können wir die Wirkung der Schwerkraft in verschiedenen Situationen beobachten:

1. Abschlag des Torwarts: Wenn der Torwart den Ball hoch und weit ins Spielfeld schießt, steigt der Ball zunächst aufgrund der ihm gegebenen Kraft nach oben. Doch die Schwerkraft zieht ihn kontinuierlich auf die Erde zurück, was dazu führt, dass der Ball eine Bogenform beschreibt und schließlich wieder auf dem Boden landet.

2. Freistoß mit Effet: Bei einem Freistoß gibt der Spieler dem Ball oft einen Spin, wodurch der Ball eine gekrümmte Flugbahn erhält. Trotz des Effets unterliegt der Ball der Schwerkraft, die ihn zwingt, nach Erreichen des Höhepunkts wieder nach unten zu fallen. Ohne Schwerkraft würde ein solcher geschossener Ball einfach weiter in die Luft steigen und nicht zum Boden zurückkehren.

3. Kopfball: Springt ein Spieler hoch, um einen Kopfball auszuführen, wird er durch die Muskelkraft nach oben getrieben. Doch sobald diese Anfangskraft nachlässt, bewirkt die Schwerkraft, dass der Spieler wieder zu Boden fällt. Die Flugbahn des Balls nach dem Kopfstoß zeigt ebenfalls die Wirkung der Schwerkraft, da der Ball ohne diese Kraft endlos in der Luft bleiben würde.

4. Ball auf dem Spielfeld: Ein auf dem Spielfeld liegender Fußball bewegt sich nicht von selbst, da die Schwerkraft ihn auf den Boden drückt. Erst durch eine äußere Kraft, wie einen Tritt oder Stoß, wird der Ball bewegt. Auch wenn der Ball in der Luft ist, wirkt die Schwerkraft auf ihn, was letztlich dafür sorgt, dass er wieder auf dem Spielfeld landet.

Diese Beispiele zeigen, wie die Schwerkraft konstant auf alle Objekte mit Masse wirkt, einschließlich eines Fußballs, und bestimmt, wie sie sich bewegen und auf Kräfte reagieren.

KI-Assistent: Wie lassen sich Lehrkräfte von Künstlicher Intelligenz helfen?

Für viele Lehrerinnen und Lehrer gehört der KI-Chatbot als Assistent bereits zum Alltag dazu. Die Künstliche Intelligenz unterstützt zum Beispiel beim Herstellen von Unterrichtsmaterialien. Klar, zu Effi Briest ist bereits mehr als genug Material vorhanden - aber was ist mit einem neueren Roman wie "Was man von hier aus sehen kann?" Auf Anfrage generiert der Chatbot zum Beispiel Fragen, die man in der Klasse diskutieren kann - darunter: "Beschreiben Sie den Charakter von Luise." "Was sind ihre wesentlichen Eigenschaften und wie entwickelt sie sich im Laufe der Geschichte?" Und: "Was ist die Bedeutung des Okapis im Roman und wie reagieren die Dorfbewohner auf das wiederkehrende Motiv?"

Mit ChatGPT kreativ lernen

Viele Lehrkräfte experimentieren auch damit, die Schüler selbst mit der Künstlichen Intelligenz interagieren zu lassen. Beispielsweise kann man die KI bitten, aus der Perspektive einer historischen Persönlichkeit zu sprechen, oder anderweitig kreativ werden. "Wer hat sonst schon die Möglichkeit, einen Innenstadtbewohner von London oder Paris in der Landessprache zu befragen?", meint "Netzlehrer" Bob Blume im KI-Podcast der ARD.

Audio: Was kann die Schule von KI lernen?

Fehler und Vorurteile: Warum die KI nicht immer richtig liegt

Fotomontage: Computer Platine mit Mikrochip mit der Aufschrift: KI. KI hilft bereits Schülern und Lehrern - doch das ist nur der Anfang. Wird Künstliche Intelligenz die Schule verändern? Steht das Bildungssystem vor einer Revolution? | Bild: picture alliance / CHROMORANGE | Michael Bihlmayer

Auch die KI produziert Fehler. Deshalb müssen wir aber nicht auf Künstliche Intelligenz verzichten.

Ein großes Problem mit der Künstlichen Intelligenz: Ihre Ergebnisse sind nicht immer korrekt. Das lässt sich leicht ausprobieren, tippt man etwa eine Frage wie "Was ist 237 mal 757" in ChatGPT, sieht die Antwort zwar plausibel aus, ist aber in der Regel falsch. Das liegt daran, dass KI-Modelle nicht für alle Aufgaben gleich gut gewappnet sind - und selbst die aktuellsten und besten Modelle ab und zu Fehler machen. Auch kann es vorkommen, dass die KI Vorurteile wiedergibt.
Dass diese Fehler auftreten können, muss jedoch kein Grund sein, auf Hilfe durch die Künstliche Intelligenz zu verzichten. Im Gegenteil: Ihre Vor- und Nachteile zu erkennen und kritisch zu hinterfragen, kann später im Arbeitsleben sehr hilfreich sein - schließlich kommen KI-Tools jetzt schon in immer mehr Berufen zum Einsatz.

Vorsicht: Was Schülerinnen, Schüler und Eltern außerdem über KI wissen sollten

Ein weiteres Problem, wenn man sich an die Künstliche Intelligenz heranwagen möchte: Das Angebot ändert sich ständig - und nicht jedes KI-Programm ist gleich. Aktuell liefert die besten Ergebnisse das KI-Modell GPT-4 von OpenAI, das nur über die ChatGPT-Bezahlversion oder über die Bing-Internetsuche aufrufbar ist. Die ChatGPT-Gratisversion und Googles ChatGPT-Konkurrent Bard können bislang nicht mithalten. Das könnte sich jedoch auch jederzeit wieder ändern.

Wie umgehen mit KI-Tools wie ChatGPT?

Darüber hinaus wird der Einsatz von KI-Tools in Schulen und Unis zur Zeit kontrovers diskutiert. Spätestens seit während dem Hamburger Abitur Betrugsversuche mit ChatGPT bekannt wurden, stellen sich viele die Frage, wie sie in Zukunft mit den Tools umgehen sollen. Landesweit einheitliche Regeln gibt es bislang noch keine - und wird es wohl auch noch eine Weile nicht geben. Klar ist lediglich: Einen durch Künstliche Intelligenz generierten Text als den eigenen auszugeben wird wohl nirgendwo gern gesehen.

KI besteht Abiturprüfungen: ChatGPT schafft das bayerische Abi

Altmodisch: Was macht KI mit Tests und Prüfungen?

Im Sommer sorgte ein Experiment für Furore: In einem Test bestand GPT-4, die Bezahlversion von ChatGPT, das bayerische Abitur. Ein weiterer Grund für eine hitzige Debatte: Was bedeutet Künstliche Intelligenz für die Zukunft von Leistungstests in der Schule? Und bringen Tests überhaupt noch etwas, wenn bald KI-Chatbots bessere Ergebnisse in ihnen erzielen könnten als Einser-Schüler?

Stellt die Künstliche Intelligenz das Schulsystem auf den Kopf?

Wichtig ist: KI-generierte Texte lassen sich nicht mit Sicherheit von menschlich geschriebenen Texten unterscheiden. Programme, die das tun wollen, existieren zwar, doch auf diese kann man sich im Zweifelsfall nicht verlassen. Doch wenn KI- und andere digitale Werkzeuge immer wichtiger werden, ist es dann noch zeitgemäß, sie aus Prüfungen komplett verbannt zu lassen? Um diese Fragen ranken sich nun hitzige Debatten. Die gehen bis zum Vorstoß des Bayerischen Lehrerverbands: Der legt nahe, die Schulnoten in Zukunft gar komplett abzuschaffen. "Ich glaube, dass die schnelle Entwicklung der KI uns kein langsames Weiterentwickeln der Leistungsbewertung erlaubt. Wir müssen einsehen, dass unser Leistungssystem oldschool ist", sagt BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann.
Klar ist nur: Anders als der technische Fortschritt bei KI entwickelt die Bildungspolitik sich eher langsam voran. Daher dürfte die Frage nach Tests und Noten auch die nächsten Jahre über noch ganz oben auf der Liste stehen.

Future-Proof: Wie sieht die Schule der Zukunft aus?

Klar ist: Die Schule wird sich durch Künstliche Intelligenz verändern. Doch wie sieht sie aus, wenn dieser Prozess einmal in Gang kommt? Ein Vorschlag stammt von dem amerikanischen Professor Ethan Mollick: Das "geflippte Klassenzimmer". Der Gedanke dahinter: Bisher funktioniert die Schule so, dass Schüler in der Schule lernen und das Gelernte später in ihren Hausaufgaben anwenden sollen. Mollick schlägt vor, diese Aufstellung komplett umzudrehen: Zuhause sollten die Schüler lernen - und zwar in dem Medium, das ihnen am besten gefällt, ob mit Videos, Text oder Chatbots. Und im Klassenzimmer sollte das Gelernte dann angewendet werden - denn in einer Welt, in der KI jeden Text generieren kann, wird freies Sprechen und Diskutieren wohl immer wichtiger.
Ob die Idee des "geflippten Klassenzimmers" gut oder auch nur umsetzbar ist? Auch das wird jetzt diskutiert. Doch die Möglichkeiten, die Künstliche Intelligenz bietet, werden fürs Erste nur mehr werden.

Anschauen: Mitschnitt vom ARD Jugendmedientag am 15.11.2023

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