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Zur Europawahl BR startet TikTok-Kanal "Isso!"

"Isso! Politik + Europa – was geht’s mich an?" - Die Europawahl geht uns alle an und deswegen hat die Redaktion Ausland und politischer Hintergrund des BR den TikTok-Kanal "Isso!" aufgesetzt. Er will vor allem eine junge Zielgruppe erreichen, denn zum ersten Mal kann ab 16 Jahren gewählt werden. Wir sprachen mit der Redaktionsleiterin Susanne Glass.

Von: Ursula Zimmermann, Unternehmenskommunikation

Stand: 02.05.2024

Europafahnen, Wahlzettel, Logo des TikTok-Kanals "Isso!" | Bild: Montage BR; Flaggen vor dem Europaparlament in Straßburg: BR/Julia Müller

Als Leiterin der Redaktion "Ausland und politischer Hintergrund" beim Bayerischen Rundfunk haben Sie mit ihrem Team den TikTok-Kanal "Isso" an den Start gebracht. Das Besondere an "Isso": es dreht sich alles rund um die diesjährige Europawahl. Was war die Überlegung, die Idee dahinter?

Bei der Europawahl am 9. Juni dürfen in Deutschland erstmals schon 16-Jährige wählen. Gleichzeitig ist das Interesse an dieser Wahl gerade bei jungen Menschen sehr gering. Die Brüsseler Institutionen scheinen abstrakt, zu weit entfernt von ihrer Lebenswirklichkeit. Das mag auch daran liegen, dass sie bereits wie selbstverständlich mit einer europäischen Identität in einem überwiegend grenzenlosen Europa aufgewachsen sind.
Mit dem TikTok-Kanal "Isso!" wollen wir, die Redaktion "Ausland und politischer Hintergrund", die junge Zielgruppe dort abholen, wo sie sich hauptsächlich informiert und ein Bewusstsein dafür wecken, welchen großen Einfluss die EU auf ihren Lebensalltag hat, dass die Geschichte der EU alles andere als selbstverständlich war und dass wir alle die europäische Zukunft aktiv mitgestalten können. Gleichzeitig geht es uns darum, ein journalistisches Gegengewicht zu den verstärkt wahrnehmbaren rechtsextremen und antisemitischen Inhalten sowie zu den Desinformationen auf der Social-Media-Plattform zu liefern.  

Susanne Glass

TikTok ist ja ein Social Media Videoportal, das ganz besonders von einer sehr jungen Zielgruppe genutzt, aber auch immer wieder kritisch hinterfragt wird. Warum fiel die Wahl ausgerechnet auf TikTok als Ausspielweg?

Ich war da anfangs auch sehr skeptisch und bin persönlich nach wie vor kein TikTok-Fan. Aber aus journalistisch-professioneller Sicht denke ich, dass wir uns angesichts von 21 Millionen Nutzern in Deutschland und weiter steigender Userschaft keine arrogante Ablehnung leisten können. Vor allem nicht, weil TikTok innerhalb der GenZ derzeit die meistgenutzte Social-Media-Plattform ist. Diese junge Zielgruppe erreichen wir als BR mit unseren bisherigen Angeboten nicht wirklich. Und wir sollten diese für die Jungen so wichtige Plattform nicht denjenigen überlassen, die dort vor allem Hass, Hetze und Fake News verbreiten.

Übrigens habe ich mich mit Überlegungen zu TikTok schon während meiner Zeit als ARD-Studioleiterin in Israel beschäftigt. Ich gehörte zu einem internationalen Team, das beurteilen sollte, ob und welche Darstellungen auf TikTok das Holocaust-Gedenken aufrechterhalten können. Zunächst hielt ich es für eine schlechte Idee, weil mir die Möglichkeiten auf TikTok die Shoa zu erklären, nicht komplex genug erschienen. Auch die Leiterinnen und Leiter von KZ-Gedenkstätten standen der Plattform zunächst überwiegend ablehnend gegenüber. Aber dann gelang es mit dem Holocaust-Projekt via TikTok so erfolgreich die junge Generation zu erreichen, dass dies zu einem Umdenken bei den Zuständigen für die Gedenkstätten geführt hat – und auch bei mir.

Noch ein weiterer Punkt ist mir wichtig: Das hochmotivierte Digitalteam, das jetzt mit "Isso" für den BR an den Start geht, hat schon sehr erfolgreich den ARD-Weltspiegel-TikTok-Kanal eingeführt. Wir haben also in diesem Bereich ARD-weit anerkannte Kompetenz und Erfahrung, die wir in Hinblick auf die Europawahl nicht ungenutzt lassen wollten.

Was sind die Inhalte des Kanals?

Was uns besonders wichtig war: Raus aus der Journalisten-Bubble und Content mit statt nur für die Zielgruppe der 15- bis 25Jährigen entwickeln. In einem Mini-Sprint im März haben wir wertvollen, kreativen Input von Studierenden und Schülerinnen und Schülern bekommen und gemeinsam Ideen erarbeitet.


Das Ergebnis: Information und Aufklärung verpackt in Umfragen/Challenges mit dem auf der Plattform beliebten Gamefication-Charakter, mit Memes und Erklär-Clips. Wir stellen und beantworten Fragen, wie "Warum ist die Europa-Flagge blau?" oder "Was machst du, wenn in der Wahlkabine der Stift fehlt?" und zeigen, was Themen wie "Glitzerverbot in Schminke", "Das Töten von Robbenbabys" oder "Mehlwürmer im Müsli" mit der EU zu tun haben. Der Erzählansatz soll überwiegend ein konstruktiver sein. Wir sind also lieber "dafür" als "dagegen".
Wir freuen uns auch, dass wir mit Dilara und Rafi eine Berufsschülerin und einen Berufsschüler aus München als Teilzeit-Hosts gewinnen konnten. Und schließlich wird auch "EU-GEN", unser animierter Host eine Rolle spielen.   

Prinzipiell gilt für den Content, was auf TikTok einfach dazugehört: Ausprobieren und testen!

Klären Sie uns kurz auf: Was hat es mit der Bezeichnung "Isso" auf sich?

Unser Kanal, der am 1. Mai an den Start ging und auf drei Monate begrenzt ist, heißt vollständig: "Isso! Politik + Europa – was geht’s mich an?" Dabei steht "Isso" kurz für: "(Es) ist so!"
Statt einer Aussage kann es aber auch mal mit Fragezeichen versehen werden: "(Warum) ist es so?"

Wie wollen Sie und Ihr Team es schaffen, Inhalte zur Europawahl und EU, die vielleicht auf den ersten Blick nicht so greifbar sind, auf einer Social Media - Plattform auszuspielen, die den Anspruch hat zwar authentische, aber vorwiegend lustige und originelle Videos auszuspucken?

Uns ist klar, dass es eine echte Herausforderung wird, die 15- bis 25-Jährigen mit einem vordergründig eher drögen Thema, wie der Europawahl zu erreichen. Aber das Thema ist uns einfach zu wichtig, deshalb: Challenge accepted!
Der Sprint mit der Zielgruppe hat uns für die Umsetzung wichtige Ideen und Erkenntnisse gebracht. Wir müssen der GenZ auf Augenhöhe begegnen, Infos und Begeisterung bieten, unterhaltsam und vertrauenswürdig sein.
Und, kleiner Einspruch, was die Frage betrifft: Anfangs vor allem bekannt für LipSync und lustige Trends steht TikTok inzwischen durchaus auch für seriöse Inhalte und Infotainment. Das zeigen nicht zuletzt TikTok-Kanäle von BR24 oder den ARD-Kanälen Tagesschau und Weltspiegel. Sowie den oben angesprochenen TikTok-Auftritten von KZ-Gedenkstätten.  

 Gibt es Kooperationen mit weiteren Redaktionen im BR, in der ARD?

Beim Prozess von der Idee bis zur Umsetzung haben uns "DESM/Digitale Entwicklung und Social Media", “Visual Production”, die Medienforschung und das Team der Mediengestalterinnen und -gestalter (Produktion) unterstützt.

Durch den Austausch mit "BR macht Schule" konnten wir Kontakte zu Schulen knüpfen. Die Zusammenarbeit mit Schülerinnen und Schülern soll weiter gestärkt werden. Deshalb planen wir gemeinsam mit "BR macht Schule“ Schüler-Webtalks. Darin wollen wir über TikTok und die Europawahl informieren bzw. Medienkompetenz und politisches Wissen vermitteln.
Natürlich gibt es auch einen engen Themenaustausch und Unterstützung innerhalb der restlichen Redaktion "Ausland und politischer Hintergrund" mit unserem zuständigen Digitalteam, insbesondere mit dem "Euroblick" und der "Europareportage". Die ARD-Online-Redaktionen, die "News-WG" und "Funk" sind informiert und unterstützen unser Projekt. Der für das Studio Brüssel zuständige WDR hat bereits angeboten, dass die Kolleginnen und Kollegen bei Themenfindung und Faktenchecks behilflich sind. Wir finden: Insgesamt eine Win-Win-Situation.

Sie waren jahrelang BR-Korrespondentin für Südosteuropa, Leiterin des Studio Wien und zuletzt Leiterin des Studio Tel Aviv. Eine kurze politische Einschätzung: was macht diese Europawahl so bedeutend, so brisant?

Wir leben in Zeiten von multilateralen Krisen und Kriegen, die uns zurecht große Sorgen bereiten. Wir müssen grundlegende Weichen stellen und dafür einstehen. Das gilt für den Klimaschutz genauso wie die künftige Sicherheitsarchitektur. Gleichzeitig sind Demokratien weltweit unter Druck. Autokratische und diktatorische Systeme werden stärker. Umso wichtiger ist es, auch bei der jungen Generation ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass sie auf europäischer Ebene ihre Zukunft entscheidend mitgestalten kann.
Und wir sollten als öffentlich-rechtlicher Sender dazu beitragen, dass möglichst viele Menschen über umfassende, nicht gefakte Informationen verfügen, auf deren Grundlage sie ihre Entscheidungen treffen können.     


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