Bayern 2 - Zündfunk

Stefanie Sargnagel "Das Faire an der Schönheit ist, dass sie halt zeitlich begrenzt ist"

Die Österreicherin Stefanie Sargnagel zählt zu den geistreichsten und lustigsten Autor:innen im deutschsprachigen Raum. Gerade ist sie auf Lesereise mit ihrem aktuellen Buch "Iowa. Ein Ausflug nach Amerika". Ein Gespräch über vermeintliche europäische Erhabenheit, Altersdiskriminierung und natürlich: das Fliegen auf Pelikanen.

Von: Alexandra Martini

Stand: 08.05.2024

Stefanie Sargnagel | Bild: Apollonia-Theresa-Bitzan

Die Wiener Autorin und Comiczeichnerin Stefanie Sargnagel wurde 2022 von einer Universität in Iowa eingeladen, dort ein paar Wochen zu verbringen und aufzutreten. Sargnagel nahm ihre künstlerische Freundin, die Musikerin Christiane Rösinger, mit. Herausgekommen ist ein Buch, in dem die zwei durch eine fast menschenleere Kleinstadt streunen, durch Antiquitätenläden, den Walmart und American Diners. Sie machen Ausflüge zum Mississippi, in ein Casino oder in eine Amana-Kolonie voller Christenmenschen.

Zündfunk: Du bist gerade unterwegs, um Dein aktuelles Buch vorzustellen. Begleitet wirst Du von Christiane Rösinger, die auch Teil des Buches ist und mit Dir in Iowa war. Wie muss man es sich da vorstellen?

Stefanie Sargnagel: Iowa ist eines der ländlichsten Gebiete der USA, sehr flach. Es ist sehr weit, sehr leer, es gibt viel Landwirtschaft, man kommt ohne Auto nicht wirklich irgendwo hin. Es gibt viele tote Tiere auf den weiten, leeren Straßen.

Du bestätigst viele Midwest-Klischees in Deinem Buch. Und Deine "europäische Erhabenheit", wie du sie nennst, verlierst Du dann, als Dich jemand in einem Casino für ihre ehemalige Mitschülerin hält.

Ja, das hat mich sehr erschüttert, weil ich immer dachte, man merkt mir schon an, dass ich ein bissel anders bin. Aber man hat mich eben für eine Schulkollegin gehalten.

Dieser Reisebericht ist gleichzeitig auch eine Reflexion über Dich selbst. Über Zeit, das Hochstapler-Syndrom, über Trinken, Körperbilder und über das Älterwerden. Du bist jetzt 38 und Christiane Rösinger 63 und im Buch kabbelt Ihr Euch immer wieder und sie wirft dir dann Altersdiskriminierung vor. Wo steht ihr da gerade in der Aushandlung?

"Iowa – Ein Ausflug nach Amerika" von Stefanie Sargnagel ist bei Rowohlt erschienen

Also, ich schätze sie sehr. Ich finde, sie ist einfach eine großartige Entertainerin. Sehr eloquent, sehr böse und sehr lustig. Ich kenne wenig Leute, die mich so stark zum Lachen bringen wie Christiane Rösinger. Christiane ist ja sehr unverblümt, sie nennt die Dinge beim Namen. Dann sagt sie: "Du musst dich schon darauf einstellen, dass sich die Leute jetzt nicht mehr so für dich interessieren, wie es vielleicht mit Mitte 20 war." Das muss ja nicht eintreten. Aber es ist nicht schlecht, darauf vorbereitet zu sein.

Du kommst auch zu dem wunderbaren Schluss: "Altern ist Attraktivitätskommunismus". Könntest Du das genauer erläutern?

In meinem Alter kommen ja wirklich die ersten Alterungserscheinungen. Also, ich bemerke das ja fast weniger an mir, als dass ich mir denke: Ah, interessant, meine Freunde schauen auch nicht mehr so gut aus wie früher. Und die, die immer so hot waren, die überhaupt nichts machen mussten und zu denen zum Beispiel die Kellner immer so extra freundlich waren, weil sie halt so gut ausgesehen haben: Ah, die Kellner sind jetzt auch nicht mehr so freundlich zu ihnen. Jetzt wissen die, wie das für mich immer schon war, weil ich halt jetzt nicht irgendwie das super hotteste Girl war. Und das ist das Angenehme, das ist jetzt eben irgendwie egalitärer.

Eigentlich gerechter. Das "Pretty Privilege", wie man so sagt, ist dann ab 40 passé.

Genau, es gibt ja alle möglichen Vorteile, die Menschen haben: Privilegien, Geld, auch Intelligenz, was weiß ich. Und das Faire an der Schönheit ist, dass sie halt zeitlich begrenzt ist.

Darüber hast Du Dich viel mit Christiane auseinandergesetzt, aber auch über den Widerspruch von feministisch sein und gleichzeitig heterosexuell. Ist das denn wirklich ein Widerspruch?

Je älter ich werde und je männerfeindlicher – das ist für mich schon ein bisschen so, dass das stärker wird. Dass ich so ein bisschen denke: Ich habe eigentlich am liebsten so wenig mit Typen zu tun, wie es nur geht. Wäre ich lesbisch, ich glaube, ich würde mich fast gar nicht mit Männern umgeben. Ich glaube, die Heterosexualität zwingt einen dann doch wieder in nähere Beziehungen und man will Männern vielleicht schon auch gefallen und muss dann auch diese Geschlechterspiele mitspielen, unfreiwillig.

Als Lesbe wäre das Leben als Stefanie Sargnagel einfacher?

Ich bilde es mir halt ein. Ich kann jetzt auch nicht sagen, ob es wirklich stimmt. Aber ich glaube halt wirklich, dass die Geschlechterverhältnisse so sind: Je erfolgreicher man wird als Frau, desto schwerer hat man es, einen Partner zu finden. Je höher die Bildung oder je mehr Macht eine Frau hat – das gilt nicht als besonders feminin und auch nicht als besonders hot.

Und ich kenne das auch wirklich viel von weiblichen Künstlerinnen, dass es selten ist, dass sie einen Typen finden, der sie total bedingungslos unterstützt. Dass wenn man so einen erfolgreichen Moment hat wie eine Albumpräsentation oder man hat einen Preis gewonnen, dass dann ganz oft die Männer die Frauen so ein bisschen runter machen. Das ist schon ein bisschen ein Muster, dass viele damit nicht klarkommen, wenn die Frau im Mittelpunkt steht.

Du sagst über dich selbst, dass du "schlampig genderst". Ist das vielleicht eine Lösung für Bayerische Einrichtungen, in denen das Gendersternchen nun verboten ist?

Ich mag es, wenn Dinge lapidar und ungeregelt sind. Aber wenn man Leute damit ärgern kann, bin ich dafür, es ganz genau zu nehmen mit dem Gendern. 

Jetzt würde ich am Ende noch gern ein kleines Geheimnis von Dir erfahren. Ist denn der Pelikan-Ritt von Christiane Rösinger hoch über den Gewässern des Mississippi wirklich passiert?

Ja, es ist in einem autofiktionalen Buch natürlich nicht alles wahr – aber der Pelikanflug ist das einzige, das ist wirklich so passiert.