Arbeiter mit Schutzbrille und Mundschutz schmelzen Kupferrohre in einer Metall-Verarbeitungsstätte der ostchinesischen Provinz Zhejiang.
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China war lange Motor der Weltwirtschaft und ist bis jetzt wichtiger Exportmarkt für Deutschland und Bayern. Doch der Motor stottert kräftig.

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Chinas Wirtschaftskrise hält weiter an

Nach Corona hatten viele auf China gesetzt, als Motor für die Weltwirtschaft. Doch daraus wurde bisher nichts: Die chinesische Wirtschaft stottert.

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Eine immense Jugendarbeitslosigkeit und eine schwere Krise am Immobilienmarkt - zwei wichtige Gründe für die chinesische Wirtschaftsschwäche. Noch ist keine Trendwende in Sicht. Und das, obwohl China bei Zukunftstechnologien wie der E-Mobilität aufs Tempo drückt.

Index zeigt auf Abschwung

In China schrumpft die Produktion im verarbeitenden Gewerbe den fünften Monat in Folge. Der offizielle Einkaufsmanager-Index, Frühindikator für die Wirtschaftsentwicklung, blieb im August mit 49,7 weiter unter 50 Punkten – der Schwelle zwischen Wachstum und Abschwung. Analysten hatten sogar eine noch schwächere Zahl vorhergesagt. Die Politik versucht nun, gegenzusteuern. So kündigt die Zentralbank an, dass Peking in Kürze einen umfangreichen Katalog zur Unterstützung der Privatwirtschaft veröffentlichen wird.

Jugendarbeitslosigkeit: Mindestens ein Fünftel aller jungen Chinesen ist arbeitslos

Die Probleme sind nach wie vor immens. Da ist vor allem die Jugendarbeitslosigkeit. Im Juli waren 21,3 Prozent der 16- bis 24-Jährigen ohne Job. Die Dunkelziffer dürfte deutlich darüber liegen. Die auf Wirtschaft spezialisierte, chinesische Nachrichtenagentur Caixin rechnet gar mit 46 Prozent. Und nun gibt das nationale Statistikamt Zahlen zur Jugendarbeitslosigkeit überhaupt nicht mehr bekannt. Auch in China gilt ein Hochschulstudium als Schlüssel zu Wohlstand, und zu viele studierten zuletzt offenbar Wirtschafts- und Finanzfächer. Im ARD-Podcast "Welt.Macht.China", der am Dienstag, 5. September in der ARD Mediathek veröffentlicht wird, sagt die Chefökonomin der Hang Seng Bank in Shanghai.

"China braucht auf jeden Fall mehr Talente in den Bereichen künstliche Intelligenz, Industriedesign und in der fortgeschrittenen Fabrikverwaltung. Auch werden Arbeitskräfte benötigt, die computergesteuerte Maschinen in Fabriken bedienen können. Aber diese Fachkräfte sind für die Industrie schwer zu finden. Daher denke ich, dass China viel vom deutschen Ausbildungsmodell lernen kann, bei dem die Berufsausbildung eng an den tatsächlichen Bedarf in der Industrie gekoppelt ist." Wang Dan, Hang Seng Bank

Für die gesellschaftliche Stabilität der Volksrepublik ist es elementar, die Jugendarbeitslosigkeit in den Griff zu bekommen. Denn Familien stecken einen sehr hohen Prozentsatz ihres Einkommens in die schulische Ausbildung der Kinder. Und das Wohlstandsversprechen, dass es künftigen Generationen einmal besser gehen wird als den jetzigen, trägt viel zur Akzeptanz der kommunistischen Partei bei.

Immobilienkrise: Gefahr für Millionen chinesischer Familienvermögen

Die Krise am Immobilienmarkt schwelt weiter. Nach der Pleite von Evergrande, dem mit umgerechnet über 300 Milliarden Dollar am höchsten verschuldeten Baukonzern der Welt, richtet sich der Fokus nun auf den Marktführer: Am 30. August hatte Chinas größter privater Baukonzern Country Garden einen Rekordverlust fürs erste Halbjahr veröffentlicht: Umgerechnet fast sieben Milliarden US-Dollar. Der Abwärtstrend werde sich fortsetzen, räumte Country Garden ein. Die Firma zweifle daran, ob sie überhaupt weitermachen könne. An Country Garden hängen rund 700.000 chinesische Familien, die ihre Ersparnisse in unfertige Bauprojekte der Firma investiert haben. Denn in China spielt Betongold wegen des Fehlens anderer lukrativer Anlageformen eine viel größere Rolle als beispielsweise in Deutschland.

"Lehman-Moment" durch chinesische Immobilienkrise?

Ein weiteres Problem: Drei Viertel der Schulden von Country Garden stammen von ausländischen Firmen. Ob diese ihr Geld wiedersehen, ist ungeklärt. Nach Medienberichten drängt Country Garden auf eine Umschuldung. Das könnte ein Modell auch für andere chinesische Baukonzerne sein, die wegen der schwachen Konjunktur und wegen strengerer Vorgaben der Regierung in Schwierigkeiten stecken.

Steht der gigantische Bausektor also vor einem Lehman-Moment? Springt die Krise vielleicht sogar auf die Weltwirtschaft über, wie 2008 in den USA? Der Ökonom George Magnus vom China Center der Universität Oxford rechnet nicht damit. Für die kommenden Jahre erwartet er, dass der Staat die Schulden von privaten Baukonzernen wie eben Evergrande oder Country Garden wegschiebt, sie möglicherweise Banken oder lokalen Regierungen aufbürdet.

"Die staatlich geführten Baukonzerne übernehmen, weil sie von den Behörden gedeckt werden. Die bauen dann Halbfertiges zu Ende oder bauen neu. Es könnte sein, dass sich die Struktur des Eigentums bei Immobilienfirmen dadurch verschiebt: Von Privat- zu Staatsbesitz. In zwei bis sechs Jahren könnte sich das erheblich verändern." George Magnus, Universität Oxford

Ist China ein "uninvestierbarer" Ort?

Dass sich die Volksrepublik derzeit eher negativ verändert, darüber sind sich die meisten westlichen Beobachter einig. Zum Abschluss ihrer viertägigen Reise nach Peking und Shanghai warnte US-Handelsministerin Gina Raimondo am 30. August die Volksrepublik davor, ein "uninvestierbarer Ort" zu werden. Ausländische Firmen müssten endlich unter fairen, verlässlichen und transparenten Bedingungen dort arbeiten können.

Seit vielen Jahren nehmen die Klagen der europäischen und amerikanischen Handelskammern in China zu. Raimondo setzt als Lösung auf vier bilaterale neue Gesprächsformate, sieht aber noch keinen Durchbruch. Daleep Singh stuft den Raimondo-Besuch als Risiko Management ein. 2021/22 war der heutige Chefökonom des Vermögensverwalters PGIM Fixed Income stellvertretender Sicherheitsberater der US-Regierung. Er ist überzeugt: China könne dem Westen mit Leichtigkeit wichtige Hightech-Produkte entziehen.

"Ja, absolut! Deshalb ist wirtschaftliche Sicherheit gleich nationaler Sicherheit. Wenn China weiter so stark ist in der Produktion von Batterien für E-Autos und auch bei E-Autos selbst, könnte es wirtschaftlichen Zwang ausüben im Dienst seiner eigenen Sicherheit. Das ist schon mehrfach passiert, etwa gegenüber Ländern wie Australien, Litauen, Südkorea, überall auf der Welt. Diese zwei Risiken – wirtschaftliche und strategische – hängen eng zusammen." Daleep Singh, PGIM Fixed Income

Gleichzeitig ist die gegenseitige ökonomische Abhängigkeit groß – vor allem jetzt, da der chinesische Wachstumsmotor stottert. So kam zu Wochenbeginn aus Peking die Ankündigung, dass Steuererleichterungen für in China arbeitende Ausländer bis Ende 2027 verlängert werden. Ursprünglich sollten sie zu Jahresende auslaufen. Jens Hildebrandt, Geschäftsführer der deutschen Auslandshandelskammer in Peking, begrüßt diesen Schritt. Außerdem verkündete die chinesische Botschaft in Washington: Peking werde daran arbeiten, ein Geschäftsklima von Weltrang zu schaffen, mit einem soliden Rechtsrahmen.

Evergrande-Gebäude stehen auf der künstlichen Insel Haihua
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Große chinesische Baukonzerne sind hoch verschuldet und fahren Verluste ein. Experten erwarten eine Welle der Verstaatlichungen im Bausektor.

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