Der unterfränkische Bäckermeister Axel Schmitt setzt auf künstliche Intelligenz.
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Der unterfränkische Bäckermeister Axel Schmitt setzt auf künstliche Intelligenz.

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Wieder aufs Handwerk konzentrieren: KI beim fränkischen Bäcker

Eine Mischung aus technischer Innovationsfreude und wirtschaftlichem Überlebenswillen: Bäckermeister Axel Schmitt setzt auf Künstliche Intelligenz – in Ermangelung an Personal. Für ihn liegen die Vorteile auf der Hand. Ergänzt durch "Dein Argument".

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Axel Schmitt ist von Beruf Bäcker. Dieses Handwerk üben er und "seine Leute" in einem unterfränkischen Dorf nahe Volkach aus. Bekannt ist er aber weit darüber hinaus. Unter dem Slogan "Backen für Wacken" wurde der Heavy-Metal-Fan bundesweit bekannt. Seine Fangemeinde auf Instagram zählt mittlerweile 120.000 Follower. Backshows im Privat-Fernsehsender tun ihr Übriges. Kurz: Axel Schmitt brennt für das Bäckerhandwerk, in aller Öffentlichkeit. Und um sich wieder mehr auf das Backen selbst konzentrieren zu können, sucht er sich technische Unterstützung – zum Beispiel mithilfe von Künstlicher Intelligenz.

Selbstbedienungsregale wegen Personalmangel

Früh am Morgen sind die Auslagen der Bäckerei Schmitt in Frankenwinheim immer gut gefüllt. Am Abend sollte das möglichst nicht mehr so sein. Denn dann wäre viel von dem hochwertigen Backwerk nicht mehr zu verkaufen. Dafür, dass die Menge passt, sorgen hinter den Tresen der sechs Filialen rund um Volkach Menschen – mit ihrer natürlichen Intelligenz.

Doch Personal muss man erst mal finden. Deshalb verkauft Schmitt Brot, Brötchen oder süße Teilchen zusätzlich über ein halbes Dutzend Selbstbedienungsregale.

KI-Software in Regalen versteckt

Das erste davon hat ein regionaler Softwareentwickler jetzt mit Künstlicher Intelligenz ausgestattet. KI als virtuelle Bäckerei-Fachkraft – das funktioniert erstaunlich gut, findet Schmitt und erläutert, was der Kunde weder sieht noch sonst irgendwie bemerkt. Denn für ihn oder sie liegt die Ware in einem gewöhnlichen Schauregal, dessen Klappen man mit der Hand öffnet, um den Inhalt anschließend mit einer Metallzange in die Tüte zu legen. Im Sockel verstecken sich allerdings Rechner, die das Regal ständig überwachen.

"Unter jedem Boden, unter jedem Tablett hier ist eine Waage verbaut. Die wiegt permanent das Gebäck und weiß genau, wenn eins rauskommt – da ist hinterlegt, wie schwer so ein Brötchen ist", erklärt Schmitt.

Bäcker: "Vorteile liegen auf der Hand"

Alles, was sich im Volkacher SB-Regal tut, kann Axel Schmitt am Computer von seinem acht Kilometer entfernten Büro aus mitverfolgen und, wenn nötig, Nachschub liefern.

"Also, die Vorteile liegen auf der Hand", meint der Bäckermeister: "Erstens, wir sparen Lebensmittel ein. Also keine Lebensmittelverschwendung. Mega gut! Dann entlasten wir unser Personal im Büro damit und können die Arbeitskräfte für wichtige Sachen wie Qualität oder Einkaufen von tollen Rohstoffen einsetzen. Und natürlich: Wir können zu jeder Tageszeit das beste Angebot für den Kunden bringen. Und das Produkt kommt aus Franken."

Künstliche Intelligenz verarbeitet unterschiedlichste Daten

Die Software dazu hat eine Firma aus dem Raum Schweinfurt nach den Wünschen des Bäckers konzipiert. Neben der Menge an Backwaren hat die KI auch noch andere Daten im Blick. Steht das Wochenende bevor oder ein Feiertag? Auch die Tageszeit und sogar das Wetter erlauben Rückschlüsse darauf, wie sich die Kundschaft an diesem Tag voraussichtlich verhält.

Schmitt sieht auf dem Bildschirm für jedes einzelne Produkt im SB-Regal eine Verlaufskurve. Und wenn es eilt, schickt die KI ihm einen Weckruf aufs Handy.

KI meldet sich auf dem Handy: Bäcker reagiert spontan auf Bedarf

Einen solchen Alarm habe es in den vergangenen Wochen immer wieder gegeben. Der bedeutet dann zum Beispiel: "Heute wird mehr Baguette gekauft." Denn es war Grillwetter. Unverhofft haben dann etwa die Leute mittags viel Baguette gekauft, um abends noch mal zu grillen. "Und dann wissen wir ganz genau: Jetzt müssen wir aktiv werden", erklärt Schmitt. Dann kommt Leben in die Backstube, auch außerhalb der Kernarbeitszeit, die längst abgeschlossen ist, wenn die meisten Menschen das Bett verlassen.

Allerdings fangen die Bäcker dann nicht bei Null an. Denn das Teiganrühren, Kneten und in Form bringen haben sie bereits auf Vorrat erledigt, erklärt der Bäckermeister. Innerhalb von zwei Stunden habe er neue Produkte im Regal.

💬 Mitdiskutieren lohnt sich: Die folgende Passage hat die Redaktion unter anderem aufgrund von Kommentaren der Nutzer "achnee", "Florian_R" und "les2005" im Rahmen des BR24 Projekts "Dein Argument" ergänzt.

Robert Wille ist Professor für Informatik an der Technischen Universität (TU) München. Er sagt, die Grenzen zwischen Künstlicher Intelligenz und herkömmlichen, auf Software basierenden Lösungen, sind fließend. In hoch technologisierten Betrieben würde das, was vielerorts heute als KI bezeichnet werde, bereits seit Jahrzehnten unter dem Begriff der Automatisierung verwendet. Auch, dass Rechner durch Reaktionen auf ihre Ergebnisse lernten, sei noch kein Indiz für Künstliche Intelligenz. Computer hätten schon vor Jahrzehnten aufgrund von Wahrscheinlichkeitsrechnungen oder Vorhersagemethoden zunehmend bessere Ergebnisse geliefert.

Vereinfacht könne man aber festhalten: Werden von Computern einige wenige Daten abgeglichen oder kommen nachvollziehbare Rechenmodelle zum Einsatz, dann handelt es sich wohl eher um Softwarelösungen als um KI, so Wille. Wenn hingegen sehr große Datenmengen verarbeitet würden, aus denen der Computer Ergebnisse ermittelt, die für Menschen oft nur schwer erklärbar sind, dann werde wohl zu Recht von KI gesprochen. Wichtiger als die Frage, welche Technologie zum Einsatz kommt, sei laut Wille aber, dass sie Ergebnisse liefere, die den Menschen helfen. 💬

Nachwuchssorgen auch im Bäckerhandwerk

Tatsächlich steckt hinter dem KI-Einsatz für Bäckermeister Schmitt weit mehr als eine technische Spielerei. Denn auch in Frankenwinheim steht der Handwerksnachwuchs nicht an der Straße. Schmitt wirbt neuerdings mit dem doppelten Lehrgeld, um Azubis für Verkauf und Backstube zu bekommen. Und die sollen sich, dank der mitdenkenden Software, dann aufs Wesentliche konzentrieren können.

"Das ist dann das Wichtige, wo es die Handarbeit braucht", sagt Axel Schmitt. "Aber die unwichtigen Arbeiten wie solche planerischen Denksportaufgaben oder irgendwelche Exceltabellen vergleichen, das macht das Regal und gibt uns die Zeit, uns aufs Handwerk zu konzentrieren und auf die tolle Arbeit, die wir machen."

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