Schneelandschaft im Allgäu.
Bildrechte: BR/Julia Müller

Winterlandschaft im Allgäu

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Gut vorbereitet auf sichere Wintertouren: Digitale Tools helfen

Lawinen sind selbst für Kenner nicht immer berechenbar. Wintertouren, ob mit Ski, Schneeschuhen oder zu Fuß, können aber mithilfe digitaler Karten sicher vorbereitet werden. Wir klären, was die Tools zeigen und worauf es dabei ankommt.

Über dieses Thema berichtet: Rucksackradio am .

Wer eine Wanderung unternimmt, geht selten einfach drauflos. Die meisten klären anhand von Karten, wo es lang gehen soll. Was im Sommer noch relativ unkompliziert ist, bedarf im Winter schon mehr Aufmerksamkeit und Vorbereitung. Nicht nur, weil die Tage kürzer sind, sondern auch die Schnee- und insbesondere die Lawinensituation müssen unbedingt einbezogen werden. Etliche Tools und digitale Karten helfen dabei.

Die Tour sollte vorher im Kopf fertig sein

Die Allgäuer Kristian Rath und Hartmut Wimmer beschäftigen sich schon seit vielen Jahren mit Tourenplanungen. Rath nutzt jede freie Minute für Skitouren, manche nennen ihn auch den Allgäuer Skitouren-Papst. Wimmer ist Gründer und Chef der Tourenplattform Outdooractive mit Sitz in Immenstadt. Ihm zufolge ist das zur Verfügung stehende Kartenmaterial heute so umfangreich und gut wie noch nie. Und: "Die Karte ist erstmal die Basis. Da steckt so viel Information drin, dass man damit ein ziemlich gutes Bild kriegt. Ich weiß vorher, wo es flach ist. Wo es steil ist, was unterhalb und oberhalb von mir ist."

Eine gute Karte habe nicht nur eine statische Ebene, sondern ganz viele, so Wimmer. Bestenfalls sollte man sich die Tour am Ende der Planung vor dem inneren Auge bildlich vorstellen können.

Spezielles Kartenmaterial nur in kostenpflichtigen Versionen

Die verschiedensten Karten muss man als Tourengeher nicht nur kennen, man muss auch darauf zugreifen und vor allem: Sie lesen können. Der volle Zugriff ist bei den meisten Anbietern aber nur in der kostenpflichtigen Version der Software möglich.

Das Lesen selbst lernt man durch Üben, betont Kristian Rath. Kostenlos verfügbar ist der Lawinenlagebericht, entweder über die Webseite der Lawinenwarnzentrale Bayern oder über die Outdoor-Plattform. "Dabei ist es wichtig, nicht nur die Zahl der Gefahrenstufe aufzunehmen, sondern auch den Text zu lesen, zu verstehen und ins Gelände zu übertragen", sagt Rath. Und verweist auf eine weitere Datenquelle, die seiner Meinung nach noch unterschätzt wird: die Werte der Messstationen der Lawinenwarndienste. "Da sehe ich nämlich, was Wetter und Schnee machen, seitdem der Lawinenlagebericht rausgekommen ist, welche Veränderungen in der Zwischenzeit stattgefunden haben."

Messstationen liefern wertvolle Informationen

Knapp 20 dieser Messstationen sammeln auf deutscher Seite am Alpenkamm allgemeine Wetterwerte wie Windstärke und -richtung, Lufttemperatur, Taupunkt sowie die Temperatur der Schneeoberfläche oder die Schneehöhe. Viermal täglich werden neue Messwerte auf der Webseite der Lawinenwarnzentrale online gestellt. Und für Kristian Rath sind diese Daten mitunter tourentscheidend. Er denkt ans vergangene Wochenende, als bei Oberstdorf ein Skitourengeher von einer Lawine am Linkerskopf mitgerissen und tödlich verletzt wurde.

Es galt Samstagabend noch Lawinenwarnstufe 1. Rath gibt zu bedenken: "Während der Nacht hat sich die Situation verändert, es kam Wind auf, es haben sich neue Triebschneeansammlungen gebildet. Würden mehr Leute die Messstationen nutzen und schauen, welche Veränderungen wir haben, hätte man das Unglück eventuell vermeiden können."

Kritischer Blick auf Quelle der Touren unabdingbar

Mit Hartmut Wimmer und Kristian Rath gehen wir die Planung einer konkreten Schneeschuhtour durch. Die Runde startet an der Talstation der Hochgratbahn bei Oberstaufen und führt über die Falkenhütte Richtung Eineguntkopf.

Schon bei der Auswahl der Routen sollte man wählerisch sein, empfiehlt Hartmut Wimmer. Man sollte, gerade mit weniger Erfahrung, nicht irgendeinen GPS-Track aus dem Internet ziehen. Sondern auf offizielle Quellen zurückgreifen. Dann könne man sicher sein, dass "irgendjemand mit Knowhow eine Karte gezeichnet hat, mit einem Track drin. Der auch weiß, wo man abstürzt und wo Lawinen herkommen und wo der Wind herkommt und wo man am besten den Hang quert." Nicht umsonst gibt es auch eigene Sommer- und Winterzustiege für Hütten zum Beispiel, die Wege können oft grundverschieden sein.

Bildrechte: Screenshot Doris Bimmer
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Digitale Karten liefern Infos zur Hangneigung und dem Lawinenrisiko

Je bunter, desto gefährlicher

Für die angedachte Route zum Eineguntkopf ist die Winterkarte angeklickt, automatisch schlägt uns das Programm schon das Winterwegenetz vor. Dann arbeitet sich Hartmut Wimmer Stück für Stück weiter vor. "Unsere Tour ist auf der Nordseite, wir sind nicht in wahnsinnig steilem Gelände unterwegs." Das lässt sich anhand der Höhenlinien sowie der zusätzlich angebotenen Hangneigungskarte erkennen. "Die markiert mir alles was steil ist in Farbabstufungen, das wird immer roter, je steiler." Zweites Feature, das angeboten wird: die Weiterentwicklung der Hangneigungskarte, die ATHM, also die "Avalanche Terrain Hazard Map". Sie zeigt farblich an, dass es an der betreffenden Stelle nicht nur steil, sondern auch gefährlich sein kann, so zum Beispiel sind auch die Bereiche markiert, in denen Lawinen auslaufen. "Da ist zwar eigentlich das Gelände schon wieder flach, aber die Lawine kommt halt von oben, das heißt: Es ist trotzdem gefährlich."

Die Karte basiert auf den Eigenschaften des Geländes, also Hangform, -größe und -neigung. Entworfen wurde die Karte von der Schweizer Webseite Skitourenguru. Der Autor verweist darauf, dass es eine statische Seite ist, die die aktuellen Verhältnisse wie beispielsweise die Stabilität der Schneedecke außer Acht lässt. Dennoch liefert sie wichtige Hinweise, betont Hartmut Wimmer, der die Kooperation mit den Schweizern weiter ausbauen will.

3D-Karte fürs Kino im Kopf

Die Karte wird mit jeder weiteren Ebene bunter, aber eben auch nur an bestimmten Stellen. Je größer man die Karte zieht, umso besser erkennt man: Der ausgewählte Weg führt durch sicheres Gelände, insbesondere oben am Grat kann man sich laut Karte bedenkenlos bewegen.

Kostenlos zu haben sind der Lawinenlagebericht, Webcams oder Hinweise auf gesperrte Wege. Alle anderen Karten sind hinter der Bezahlschranke zu finden. Die verwendeten Daten stammen unter anderem von der Lawinenwarnzentrale, auch auf Wettersatelliten greift sein Portal zurück. Und um der Vorstellungskraft bei der Tourenplanung auf die Sprünge zu helfen, ist mittlerweile auch eine 3D-Ansicht möglich, die Gipfel sind – natürlich – schneebedeckt.

Kartenlesen vor jeder Tour - egal, wie leicht sie ist

All die Features und Karten helfen aber nicht, wenn man sich das nicht vorher anschaut. Und das Lesen und das Interpretieren immer wieder, auch bei jeder noch so kleinen und leichten Tour, übt, betont Hartmut Wimmer: "Weil, wenn Du da schon stehst, dann ist es zu spät."

Traut man sich das nicht zu oder will sich nicht damit beschäftigen, sollte man die Karten trotzdem anschauen – und dann eben die bunt eingefärbten Stellen sowie Hänge mit einer Neigung von mehr als 30 Grad meiden, empfehlen die beiden Tourprofis.

Auch der erfahrene Skitourengeher Kristian Rath bereitet sich auf jede Tour gründlich vor. Diese Zusatzinformationen helfen, die jeweils aktuelle Situation so gut wie möglich einzuschätzen und "vielleicht kurz bevor ich die Tour starte noch eventuell das Ziel zu korrigieren". Draußen im Gelände hat er dann trotzdem "alle Antennen auf Empfang" gestellt.

Denn auch das ist immer möglich: Dass sich die Situation vor Ort anders darstellt, als es die Karten vermuten lassen. Dann hat auch schon ein Profi wie Kristian Rath trotz guter Vorbereitung eine Tour geändert oder ganz abgeblasen. Der eigenen Sicherheit zuliebe.

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