Leichtathletik: Weltmeisterschaft, 1500 m, Halbfinale, Männer, im nationalen Leichtathletikzentrum.
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Leichtathletik: Weltmeisterschaft, 1500 m, Halbfinale, Männer, im nationalen Leichtathletikzentrum.

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Sportfördergesetz: Spitzensport drängt auf Umdenken

Mit dem neuen Sportfördergesetz will die Bundesregierung Talentförderung und die Verteilung wichtiger Gelder renovieren. Im Spitzensport treffen die Pläne auf Kritik.

Über dieses Thema berichtet: BR24Sport im Radio am .

Schmerzhafte Griffe, schwungvolle Würfe - als Judoka muss man hart im Nehmen sein. Als Judotrainer aber auch. Lorenz Trautmann coacht seit sieben Jahren hauptamtlich den deutschen Bundesnachwuchskader der Frauen. Auf der Matte landet er zwar nur selten. Hart ist sein Job trotzdem. Lorenz Trautmann arbeitet sechs bis sieben Tage die Woche, manchmal bis zu 60 Stunden. In letzter Zeit stellt er sein Engagement immer häufiger infrage: "Wenn man immer erfolgreicher wird, kommt man weiter nach oben. Das ist eine Riesenmotivation. Aber irgendwann mal stellt man fest: Ey, das wird eigentlich nicht so richtig gewürdigt. Warum mache ich das Ganze?"

Bundestrainer im Spitzensport - für 4.000 Euro Brutto im Monat

Mit dieser Frage ist er nicht allein. Denn reich wird man durch seine Arbeit sicherlich nicht. Laut Berufsverband verdienen Bundestrainer in olympischen Sportarten durchschnittlich knapp 4.000 Euro brutto im Monat. Das Geld kommt vom Bundesinnenministerium. Für die Überstunden bekommt Lorenz Trautmann nichts. Denn theoretisch könnte er weniger arbeiten, doch da steht ihm nicht vor allen Dingen der sportliche Ehrgeiz im Weg: "Das ist immer ein bisschen die Zwickmühle im Leistungssport. Man will international erfolgreich sein, den Anschluss halten. Wenn ich nach 40 Stunden immer sagen würde: 'Stopp, mehr darf und will ich nicht arbeiten', werden wir keinen Erfolg haben."

Fördergelder: Erfolg ist wichtiger denn je

Dabei ist dieses "Erfolg haben", sprich Medaillen gewinnen, gerade so wichtig wie noch nie. Bei den Olympischen Spielen und zum Beispiel der Leichtathletik WM zuletzt haben die Deutschen weniger Medaillen geholt als je zuvor. Und was jetzt? Das Bundesinnenministerium hat als Lösung einen Entwurf für ein neues Sportfördergesetz veröffentlicht. Das Ziel: Fördergelder sinnvoll verteilen. Das Kernproblem: Die Verteilung der Fördergelder. Sieben Millionen Euro stellt der Bund zur Verfügung. Damit werden zum Beispiel Athletinnen und Athleten, Trainerinnen und Trainer bezahlt oder Trainingslager finanziert.

Herrmann: "Erhebliche Zweifel" am neuen Vorhaben

Bisher konnte der Sport ein Wörtchen dabei mitreden, wo die Gelder am meisten Sinn ergeben. Nach dem neuen Gesetzentwurf hat jetzt aber das Bundesinnenministerium das letzte Wort. Politik entscheidet über Sport? Keine gute Idee, findet Bayerns Innen und Sportminister Joachim Herrmann: "Ich bin der Meinung, dass das vorrangig in Zukunft auch von der Sportfamilie selbst zu entscheiden ist. Wenn man das Politikern in die Hand gibt, zu meinen, dass das fachlich und gerechter, besser wäre, da habe ich erheblich Zweifel."

BMI: "Einfluss des Bundes ist unerlässlich"

Das Bundesministerium des Innern (BMI) hat seine Position verteidigt. "Strategische Vorgaben werden gemeinsam von allen relevanten Akteuren, auch dem Deutschen Olympischen Sportbund, im Stiftungsrat getroffen. Ein maßgeblicher Einfluss des Bundes im Stiftungsrat ist dabei unerlässlich, weil die Sportagentur ausschließlich Mittel des Bundes vergibt", teilte eine BMI-Sprecherin auf SID-Anfrage mit.

Das für den Sport zuständige Ministerium fügte an, dass "insbesondere" auch die "Möglichkeiten einer überjährigen Förderung und auch einer disziplinenübergreifenden Förderung bereits klar im Entwurf des Sportfördergesetzes verankert worden" seien. Zudem solle mit der zu gründenden Sportagentur durch die Förderung aus einer Hand "der Prozess insgesamt bereits verschlankt" und Doppelstrukturen, "die sich bisher aus dem Nebeneinander der am Fördersystem Beteiligten ergeben haben, aufgelöst werden". Der Referentenentwurf stelle "die Grundlage für ein zukunftsfähiges Spitzensportsystem dar", betonte das BMI. Das "breite Meinungsspektrum" sei "angesichts der Tragweite des Vorhabens (...) nicht überraschend".

Bundestrainer hoffen auf Tarifvertrag

Für Trautmann und viele Trainerkollegen gibt es noch einen Kritikpunkt: Einen Tarifvertrag für diese Berufsgruppe gibt es bisher nicht. Auch im neuen Gesetzentwurf ist, anders als erhofft, keine Rede davon. Kein Wunder also, dass so viele Coaches ins Ausland gehen, meint Judo-Bundestrainer Lorenz Trautmann: "Die Option, dass man selber ins Ausland geht, oder ob man sagt, "Okay, dann gehe ich wieder weiter runter, arbeite im Verein und wieder in dem Beruf, den ich gelernt habe – diese Gedanken kommen immer mehr." Wertschätzung, Planungssicherheit – das wünscht sich Lorenz Trautmann. Noch ist der Entwurf zum Sportfördergesetz ein Entwurf. Für Änderungen wäre noch Zeit.

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