Markus Söder bringt 2018 ein Kreuz im Eingangsbereich der Staatskanzlei an
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Markus Söder bringt 2018 ein Kreuz im Eingangsbereich der Staatskanzlei an

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Hält Söders "Kreuzerlass" dem Bundesverwaltungsgericht stand?

Letzte Woche hat das Bundesverwaltungsgericht eine Klage gegen Markus Söders "Kreuzerlass" verhandelt. Nun soll ein Urteil verkündet werden. Der Bund für Geistesfreiheit hofft, dass Bayern die Kreuze abnehmen muss.

Als "Söder-küsst-den-rosa-Delphin-Moment" beschreibt die Kabarettistin Eva Karl Faltermeier in einer Folge des BR-Podcasts "Immer diese Bayern" die Szene aus dem Jahr 2018, als Markus Söder im Blitzlichtgewitter ein Kreuz im Eingangsbereich der Staatskanzlei aufhängte. Und Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) spottete einst via Süddeutsche Zeitung (externer Link, Bezahl-Inhalt), er habe bei den Fotos von Söder mit dem hoch erhobenen Kreuz an "Vampir-Filme" denken müssen. Als wolle Söder mit dem Kreuz eine "drohende Gefahr abwenden", so Kretschmann.

"Populismus": Mit dem Kreuz in den Wahlkampf?

Ob nun rosa Delphin oder Vampir: Nicht nur diese Reaktionen zeigen, dass Söders öffentlichkeitswirksame Aktion im Landtagswahlkampf 2018 äußerst umstritten war. "Populismus" wurde dem damals Neu-Ministerpräsidenten vorgeworfen. Anbiederung an Christinnen und Christen kurz vor der Wahl, so die Kritik unter anderem vom politischen Gegner. Sollte das die Absicht gewesen sein, so hatte sich Söder damals aber offenbar verspekuliert.

Kirchen warnten vor Instrumentalisierung

Denn selbst aus den Kirchen kamen, vorsichtig formuliert, nicht nur Juhu-Rufe, als Söder per Verwaltungsvorschrift anordnen ließ, dass im Eingang jeder bayerischen Amtsstube gut sichtbar ein Kreuz anzubringen sei. Und zwar "als Ausdruck der geschichtlichen kulturellen Prägung Bayerns". Genau darüber aber ärgerte sich beispielsweise der Vorsitzende der Bayerischen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx: "Wenn das Kreuz nur als kulturelles Symbol gesehen wird, hat man es nicht verstanden", so der Erzbischof von München und Freising damals.

Ähnlich argumentierte der ehemalige evangelische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, der betonte, das Kreuz dürfe nie für irgendwelche "außerhalb von ihm selbst liegenden Zwecke instrumentalisiert werden".

Klage des Bundes für Geistesfreiheit

Andere Kritiker sahen und sehen verfassungsrechtliche Verstöße gegen die Neutralitätspflicht des Staates und gegen die Weltanschauungsfreiheit. Unter anderem der Bund für Geistesfreiheit in München und Bayern - eine Art Interessenvertretung für religionskritische Menschen - hatte deshalb Klage eingereicht.

Die bayerischen Gerichte überzeugte das in erster und zweiter Instanz nicht. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof argumentierte in seiner Entscheidung vom 1. Juni 2022, zwar liege durchaus ein Verstoß gegen das Gebot staatlicher Neutralität vor, es handle sich aber um eine "bloß passive Verwendung eines religiösen Symbols ohne missionierende oder indoktrinierende Wirkung". Eine Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht ließ das bayerische Gericht aber zu.

Die Kläger um BfG-Sprecherin Assunta Tammelleo hoffen, dass "der Blick von außerhalb Bayerns" ein anderer ist.

Uneinigkeit bei Ex-Verfassungsrichtern

Hochrangige Juristen waren sich in der Bewertung des Kreuzerlasses zuletzt uneins. Ähnlich wie der Bayerische Verwaltungsgerichtshof argumentierte zum Beispiel der ehemalige Bundesverfassungsrichter Udo Di Fabio in seinen Publikationen. Von einem schlichten Kreuz gehe keine "weltanschauliche oder religiöse Indoktrination" aus, so Di Fabio. Widerspruch kam von Ex-Bundesverfassungsrichter Dieter Grimm. Wenn die Regierung die Anbringung des Kreuzes anordne, könne sie "diesen Sinngehalt nicht ausblenden". Er schwinge stets mit, demnach sei die Neutralität des Staates verletzt, so die Interpretation des Rechtswissenschaftlers Grimm.

Ex-CSU-Generalsekretär verteidigt Kreuzerlass als "Leitplanke" für Integration

Auch wenn Söder zwischenzeitlich selbst einräumte, er würde heute manches "anders machen, gerade auch in der Form", verteidigen seine Parteifreunde den "Kreuzerlass" - jedenfalls nach außen. Zum Beispiel sein einstiger Generalsekretär Markus Blume, der Söders Wahlkampf 2018 mitbestimmt hat. Inzwischen ist Blume Minister, zudem "Synodaler", also Mitglied des bayerischen evangelischen Kirchenparlaments. Es zeige sich gerade jetzt, wie wichtig es sei, "dass ein Land sich seines Wertefundaments versichern kann", argumentiert der CSU-Politiker. Und: Der Kreuzerlass habe "wichtige Leitplanken gesetzt", auch als "Maß und Richtschnur für Integration". Das kann durchaus als Verweis verstanden werden auf die Reaktivierung des "Leitkultur"-Begriffs in der Union.

Entscheidung am frühen Nachmittag

Im Vorfeld der Revisions-Verhandlung am Bundesverwaltungsgericht schien die breite Debatte ums Kreuz in Eingangsbereichen von öffentlichen Dienstgebäuden verstummt. Auf BR24-Anfrage wollte sich beispielsweise der neue Landesbischof Christian Kopp nicht zu seiner Haltung zum "Kreuzerlass" äußern. Keine Möglichkeit für eine aktuelle Stellungnahme sah man auch in der Pressestelle des Erzbistums München und Freising, die unter anderem für das Katholische Büro - also die Schnittstelle der katholischen Kirche in Bayern zur Politik - zuständig ist.

Trotzdem dürften auch sie nun gespannt verfolgen, wie das Gericht am frühen Nachmittag entscheiden und diese Entscheidung dann begründen wird. Klägervertreterin Assunta Tammelleo vom Bund für Geistesfreiheit hofft, dass am Ende die Kreuze aus dem Eingangsbereich der staatlichen Gebäude verschwinden werden. Sollte man in Leipzig nicht Recht bekommen, werde man wohl vor das Bundesverfassungsgericht ziehen, kündigte Tammelleo bereits im Vorfeld an.

Keine Tendenz in der mündlichen Verhandlung

In der mündlichen Verhandlung am Donnerstag war keine Tendenz des Gerichts herauszuhören, der Ausgang scheint völlig offen. Einen Kompromissvorschlag der Richterin, die Kreuze hängen zu lassen mit einem Schild, das auf die kulturelle Wertetradition verweist, lehnten die Vertreter des Freistaats ab.

Nicht auszuschließen ist allerdings auch, dass die Klage an formaljuristischen Gründen scheitert: Diskutiert wurde vor Gericht auch die Frage, ob denn der Bund für Geistesfreiheit überhaupt berechtigt ist, im Namen seiner Mitglieder zu klagen.

Im Vorfeld der Verhandlung war von den Beteiligten immer wieder eine verbreitete Redensart zu hören: "Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand."

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