Hubert Aiwanger in der Spessarthalle in Esselbach
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Aiwanger: "Werden den Spessart zu Tode geschützt haben"

Zwei Biosphärenreservate gibt es bereits in Bayern, nun könnte ein drittes dazu kommen – der Spessart. Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger hält das jedoch für keine gute Idee. Er stellt sich wegen des Naturschutzes gegen den Naturschutz.

Über dieses Thema berichtet: jetzt red i am .

Wenn es nach dem Willen vieler Lokalpolitiker, Umweltschützer und Anwohner geht, könnte im Spessart bald ein UNESCO-Biosphärenreservat eingerichtet werden.

Anwohner wie Volker Schiller sehen einen solchen Schritt als große Chance für die Region. "Ich wünsche mir, dass wir das Biosphärenreservat bekommen, weil das als Markenname dem Spessart, dem Tourismus und damit auch dem Leben auf dem Land sehr helfen kann", erklärte der ehemalige Förster, der im Spessart lebt, am Mittwochabend im BR Fernsehen in der Sendung "jetzt red i".

Aiwanger warnt vor zu viel Naturschutz im Spessart

Doch der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger steht einem Biosphärenreservat im Spessart weiterhin kritisch gegenüber. Im Dialog mit den Bürgern bei "jetzt red i" warnte der stellvertretende Ministerpräsident, der jetzt auch die Verantwortung für die bayerischen Staatsforsten trägt, vor zu viel Naturschutz. Denn laut Aiwanger könnte das sogar einen gegenteiligen Effekt auf den Wald haben. "Am Ende werden wir den Spessart zu Tode geschützt haben, er wird aussehen wie der Bayerische Wald", so der Chef der Freien Wähler.

Biosphärenreservat könnte laut Aiwanger die Eichen bedrohen

Als Beispiel nannte Aiwanger die für den Spessart charakteristischen Eichen. "Man muss mit dem Grundirrtum aufhören, dass ein Schutz dieser schönen Eichen dazu führen würde, dass sie in 100 Jahren weiter so schön sind", so Aiwanger. Diese Bäume würden nur deshalb erhalten bleiben, weil der Mensch sie bewirtschafte. Ein Biosphärenreservat würde allerdings ein Ende dieser Bewirtschaftung bedeuten. Und Schädlinge wie beispielsweise der Prachtkäfer könnten dann dafür sorgen, dass die Eichen verschwinden.

"Es wird sich das Landschaftsbild drastisch verändern", so Aiwanger weiter. Der Spessart würde zu einem Buchenwald, und diese Buchen würden dürr, weil sie die zunehmende Trockenheit nicht aushielten. Aiwangers Fazit: "Wenn das Landesentwicklung sein soll, dann herzlichen Glückwunsch!"

Richard Mergner fordert mehr Naturschutz

Richard Mergner, der Vorsitzende des BUND Naturschutz in Bayern, widersprach, nannte die Aussagen Aiwangers "Falschnachrichten". Laut Mergner sei es absurd zu behaupten, der Spessart wäre tot, wie der Bayerische Wald – schließlich treffe das auf den Bayerischen Wald überhaupt nicht zu.

Auch der Prachtkäfer sei keine Bedrohung für Eichen im Spessart. Mergner sieht in der Debatte um ein Biosphärenreservat eine große Chance für die Region. Dabei wies der bayerische BUND-Chef auf ein anderes Beispiel hin: das Biosphärenreservat Berchtesgaden. Dieses hat kürzlich sein zehnjähriges Jubiläum gefeiert. "Da haben die Hoteliers, da haben die Bauern, da haben die Verarbeiter sich gefreut und gesagt: 'Es hätte uns nichts Besseres passieren können als ein Biosphärengebiet'", so Mergner.

Streit um Holzrechte im Spessart

Laut Aiwanger bringt der Vorschlag der UNESCO nur unnötige Unruhe in die Region. Ein Grund dafür ist eine Besonderheit im Spessart: die Holzrechte. Sie erlauben Anwohnern, Äste aus dem Wald umsonst als Brennholz zu verwenden. Einige Bürger befürchten deshalb, dass ein Biosphärenreservat im Spessart ihnen diese besonderen Rechte nehmen könnte, im Vorfeld gab es eine Demonstration vor der Spessarthalle, aus der "jetzt red i" gesendet wurde. Auf Schildern war zu lesen: "Wir lassen den Spessart so wie er ist."

Doch nicht alle sind dieser Meinung. Petra Brand zum Beispiel, die in der Gemeinde Heimbuchenthal im Spessart lebt, argumentierte, dass die Holzrechte veraltet seien. Als sie entstanden seien, hätten sie eine soziale Funktion gehabt, hätten der strukturschwachen Region einen wichtigen Vorteil verschafft. Aber jetzt? "Ich weiß nicht, ob man noch sagen kann: 'In der heutigen Zeit ist das so angebracht'", sagte Brand.

Ehemaliger Minister Eberhard Sinner warnt vor Eingriffen

Der ehemalige Staatsminister und Leiter der Bayerischen Staatskanzlei, Eberhard Sinner, der ebenfalls bei "jetzt red i" zu Gast war, warnte vor einem vorschnellen Eingriff durch die Politik. Vor einigen Jahren habe man diesen Fehler im Spessart schon einmal gemacht, so Sinner. 2017 wollte die bayerische Regierung um Horst Seehofer die Region zum Nationalpark machen, doch das Vorhaben scheiterte - auch am Gegenwind der Bürger. "Ich schlage vor, dass sich die Staatsregierung einen Augenblick zurückhält und wartet, bis sich die Region jetzt selbst sortiert", so Sinner. Veränderungen müssten von unten entstehen, alles andere sei zum Scheitern verurteilt.

Doch Wirtschaftsminister Aiwanger hat sich bereits festgelegt. Die Staatsregierung wird – das machte Aiwanger in "jetzt red i" nochmal deutlich – keinen weiteren Staatsforst zur Verfügung stellen. Ob der Spessart am Ende zu einem Biosphärenreservat wird, liegt jetzt also an den Kommunen.

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