Mental Load Was hilft gegen den unsichtbaren Stress?

Author: Simone Peer

Published at: 16-1-2024

Was gibt es heute Abend zu essen? Was ist denn noch im Kühlschrank? Wer kauft wann die Lebensmittel ein? Dann könnte man ja auch gleich ein Geburtstagsgeschenk besorgen. Wann war nochmal die Feier? Ach Mist, da sollte auch der Arzttermin sein. Der muss verschoben werden. Jetzt regnet es. Haben die Kinder noch passende Regensachen? Der Kleiderschrank muss aussortiert werden … Ist euch auch nach einer Pause, weil sich aus einer Aufgabe dauernd weitere ergeben, die sonst keiner sieht? Unsichtbare Aufgaben können schnell zu einer mentalen Belastung werden. Das könnt ihr gegen Mental Load tun.

Junge Frau fasst sich an die Schläfen. Habt ihr eine ständige To-do-Liste im Kopf, mit unsichtbaren Aufgaben, an die ihr denken müsst? Diese mentale Belastung nennt man auch Mental Load. Besonders Frauen und Mütter leiden darunter. Das könnt ihr dagegen tun ... | Bild: picture alliance / Zoonar | Channel Partners

Definition: Was ist Mental Load?

Mental Load bedeutet übersetzt "mentale Belastung" und meint die Last der ständigen unsichtbaren Planungs- und Koordinierungsaufgaben, die im Alltag anfallen und die damit verbundene Verantwortung. Die Initiative "Equal Care Day" definiert Mental Load so: "Mental Load bezeichnet die Last der alltäglichen, unsichtbaren Verantwortung für das Organisieren von Haushalt und Familie im Privaten, das Koordinieren und Vermitteln in Teams im beruflichen Kontext sowie die Beziehungspflege und das Auffangen der Bedürfnisse und Befindlichkeiten aller Beteiligten in beiden Bereichen."

Mit Mental Load sind deshalb nicht die konkreten Aufgaben im Haushalt oder die Kinderbetreuung gemeint, die sich ein Paar aufteilt. Es geht um die unsichtbare und notwendige Denkarbeit, die es überhaupt erst möglich macht, dass sichtbare Aufgaben erledigt werden können und der Alltag funktioniert. Zu dieser Denkarbeit gehören unter anderem: planen, koordinieren, Optionen abwägen, Bedürfnisse antizipieren und Entscheidungen treffen. Solche unbezahlte Care-Arbeit leistet jeder. Laut Studien übernehmen jedoch Frauen und Mütter das meiste, um das Leben und den Alltag als Paar oder Familie zu managen. Dann ist nicht nur die mentale und oft auch körperliche Belastung problematisch, sondern auch die mangelnde Wertschätzung: Arbeiten, die wir nicht sehen, würdigen wir meistens auch weniger.

Beispiele für Mental Load: Wie machen sich unsichtbare Aufgaben im Alltag bemerkbar?

Mental Load fällt im privaten Umfeld, aber auch auf der Arbeit oder im Freundeskreis an. Unsichtbare Aufgaben sind zum Beispiel:

Zu Hause

  • Termine im Kopf haben und/oder in einen Kalender eintragen, Termine mit anderen Haushaltsmitgliedern abstimmen und koordinieren.
  • Kühlschrank und Vorräte checken, Einkaufszettel schreiben und dabei schon die nächsten Mahlzeiten planen.
  • Waschmaschine und Spüler rechtzeitig bestücken, Waschmittel und Spülmittel vorrätig haben, Geräte zeitnah wieder ausräumen.
  • Bei Geburtstagen und Feiertagen überlegen, wo und mit wem gefeiert wird, sich um Einladungen und Geschenke kümmern, Essen besorgen und/oder vorbereiten.
  • Urlaube planen.
  • Den Überblick über Wartungs- und Pflegetermine bei Geräten, Auto, im Garten behalten. Kaputtes reparieren (lassen) oder ersetzen.

Im Job

  • Termine planen, koordinieren und einhalten.
  • Projekte gedanklich vorantreiben und nächste Schritte planen.
  • An alle Aufgaben, die zu einem Projekt gehören, denken und sich dabei mit Kollegen und Vorgesetzten abstimmen und koordinieren.
  • Infos, an alle Kollegen und Vorgesetzte, die es betrifft, weitergeben.
  • Wenn ihr Führungskräfte seid: Aufgaben delegieren und verteilen, überlegen wo zusätzliche Ressourcen gebraucht werden und wie Budgets eingehalten werden können.
  • Urlaube und Geschäftsreisen planen und abstimmen.

Habt ihr Kinder, kommt noch einiges an Planungsaufgaben dazu:

  • Termine der Kinder im Kopf haben und/oder in einen Kalender eintragen.
  • Termine der Kinder und Erwachsenen vereinbaren und koordinieren.
  • An Arzttermine für die Kinder denken.
  • Tägliche Wege aufeinander abstimmen.
  • Geburtstage, Einschulung, Sommerfeste, Kitaeingewöhnungen, Ferienbetreuungen, Freizeitaktivitäten inklusive der passenden Ausstattung, Bringen und Abholen organisieren.
  • Eventuell Aufgaben in Elternbeiräten planen und verteilen.
  • Einkaufszettel schreiben und dabei schon die nächsten Mahlzeiten planen, Essensvorlieben oder -unverträglichkeiten berücksichtigen, Kühlschrank und Vorräte checken, einkaufen.
  • Sich in allen Situationen um passende Kleidung für die Kinder kümmern.
  • Schulranzen und Rucksäcke kontrollieren und täglich neu mit Brotzeiten und Trinkflaschen auffüllen.

Nachvollziehen lässt sich Mental Load am besten an einem konkreten Beispiel: das Kümmern um die passende Kleidung für die Kinder. Dazu gehören folgende unsichtbaren Überlegungen, die dann wiederum zu konkreten Aufgaben werden:

  • Welche Größe hat das Kind gerade?
  • Welche Kleidung wird am nächsten Tag gebraucht und müsst ihr vorher noch waschen?
  • Ist genügend Wechselwäsche vorhanden?
  • Sind Wickeltaschen, Turnbeutel oder Rucksäcke, die eure Kinder brauchen, gepackt?
  • Welche Kleidung brauchen die Kinder in der aktuellen und kommenden Jahreszeit?
  • Welche Kleidung passt noch oder muss ergänzt werden?
  • Wer besorgt fehlende Kleidungsstücke und wo?
  • Was ist kaputt und kann repariert werden?
  • Welche Kleidung kann aussortiert werden?
  • Welche Kleidung wird für Freizeitaktivitäten, wie Schwimmen oder Turnen, gebraucht und muss zusätzlich besorgt werden?
  • Welche Kleidungsstücke können weiterverkauft werden?
  • Wo und wer kümmert sich darum?

Ansehen: Warum wir unter mentaler Belastung leiden

Wenn der Stress zu viel wird: Ständige Belastung macht Eltern krank

Verpflichtungen und Ärger im Büro, kranke Kinder zu Hause und vielleicht auch noch pflegebedürftige Großeltern: Datenerhebungen des Müttergenesungswerks für das Jahr 2022 zeigen, dass Eltern die andauernde Belastung oft zu viel wird und sie deshalb krank werden.
Ständiger Zeitdruck sei für Eltern der Hauptbelastungsgrund, eine Kurmaßnahme zu beantragen. Über 90 Prozent der Mütter, die an einer Mutter-Kind-Kur teilgenommen hätten, litten an den psychischen Folgen dauerhafter Belastung und zeigten Erschöpfungszustände, Schlaf- und Angststörungen oder depressive Verstimmungen. 40 Prozent der Mütter und rund 60 Prozent der Väter gaben an, dass ihnen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie Probleme bereite und sie unter dieser Doppelbelastung stark leiden. Müttern fehle es neben der beruflichen Belastung an Unterstützung aus dem Umfeld und an Anerkennung. Väter, die mehrheitlich in Vollzeit arbeiteten, vermissen außerdem soziale Kontakte.

Mental Load bei Männern und Frauen: Unterschiede in der mentalen Belastung zwischen den Geschlechtern

Grafik: Durchschnittlich verwendete Zeit von Männern und Frauen für Care-Arbeit, wie Kinderbetreuung, Hausarbeit und Pflege. Quelle: DIW Berlin, 2023. Habt ihr eine ständige To-do-Liste im Kopf, mit unsichtbaren Aufgaben, an die ihr ständig denken müsst? Diese mentale Belastung nennt man auch Mental Load. Besonders Frauen und Mütter leiden darunter.  | Bild: BR

Mental Load gehört zur unbezahlten Sorgearbeit, auch Care-Arbeit genannt, und ist der Anteil, der am wenigsten gesehen wird. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin untersuchte im Jahr 2023 den Gender Care Gap in Deutschland. Der Gender Care Gap misst die Lücke in der Zeitverwendung von Männern und Frauen für Care-Arbeit. Dazu gehören alle unbezahlten Dienstleistungen, die innerhalb eines Haushalts für dessen Mitglieder oder für pflegebedürftige Personen außerhalb des Haushalts erbracht werden. In Deutschland leisten Frauen im Durchschnitt etwa eineinhalbmal so viel unbezahlte Sorgearbeit wie Männer. Der Gender Care Gap beträgt laut Studie im Durchschnitt über die gesamte Bevölkerung etwa 50 Prozent. Das heißt, laut Studie verwenden Frauen rund 50 Prozent mehr ihrer täglichen Zeit für unbezahlte Sorgearbeit als Männer. Im weltweiten Vergleich belegt Deutschland damit einen mittleren Rang.

Frauen leisten mehr unbezahlte Sorgearbeit als Männer

Aus dem Gutachten für den Zweiten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung geht ebenfalls hervor, dass Frauen für Care-Arbeit durchschnittlich täglich 52,4 Prozent mehr Zeit verwenden als Männer. Umgerechnet sind das 87 Minuten Unterschied. Männer leisten pro Tag im Schnitt zwei Stunden und 46 Minuten unbezahlte Sorgearbeit, bei Frauen sind es vier Stunden und 13 Minuten.

Vermächtnisstudie 2023: Mental Load könnte auch einen Einfluss auf den Kinderwunsch haben

In der Vermächtnisstudie aus dem Jahr 2023 wurde zum ersten Mal auch die Belastung durch Mental Load gemessen. Von insgesamt 21 Aufgaben, die Haushalt, Familienorganisation und Freizeitaktivitäten betreffen, liegen nur drei überwiegend oder ausschließlich bei den Männern: Reparaturen, Handwerker und Finanzen. Die befragten Männer gaben dabei häufig an, dass die mentale Belastung fair verteilt ist. Frauen dagegen sehen laut Studie die Last klar bei sich.

Was bei der Studie auch herauskam: Der Wunsch nach eigenen Kindern geht insgesamt zurück. "Wir sehen zum ersten Mal, dass die Bedeutung von Kindern bei den Befragten sinkt", sagt WZB-Präsidentin Jutta Allmendinger. Für junge Frauen gehe es heute um die Frage Familie oder Job. Dies sei der Abschied von der Idee, Arbeit und Kinder zu vereinbaren. "Nach den Erfahrungen in der Pandemie mit einer extremen Mental Load gilt den jungen Frauen anscheinend die Erwerbsarbeit als der Ort, wo sie einigermaßen gleichberechtigt leben können", erklärt Allmendinger.

Ursachen: Warum sind vor allem Frauen von Mental Load betroffen?

"Das Rollenbild hat sich geändert. Frauen dürfen jetzt alles machen und sollen erwerbstätig sein. Wir haben ja inzwischen die am besten ausgebildete Generation, die wir je hatten. Aber wenn das Kind da ist, in der klassischen Situation Frau und Mann, da spielt unter anderem der Gender Pay Gap eine Rolle. Und dann gibt es nach wie vor viel zu wenig Betreuungsmöglichkeiten. Auch die Rollenzuschreibungen sind so tief in uns drin, das lässt sich nicht in einer Generation verändern. Zusätzlich tappen wir nach wie vor in diese Rosa-Hellblau-Falle, in diese Klischees. Damit ein Mann sich zuständig fühlt, müsste das als Motivbündel während seiner Sozialisation verankert werden - und sind wir mal ehrlich, das ist bei den wenigsten der Fall."

Elke Hüttenrauch, Diplom-Pädagogin und Geschäftsführerin Klinik Hohes Licht Oberstdorf

Test: So könnt ihr herausfinden, ob euch Mental Load belastet

Der kostenlose Mental Load-Test der Initiative "Equal Care Day" zeigt euch, ob ihr unter zu viel Mental Load leidet und gibt Anregungen, wie ihr Auswege finden könnt. Anhand der Testergebnisse könnt ihr mit eurem Partner oder eurer Partnerin über die Verteilung der Care-Arbeit und Mental Load im Alltag sprechen. Der Test eignet sich für kinderlose Paare, Paare mit Kindern und Menschen mit pflegebedürftigen Angehörigen.

Grenzen akzeptieren: Es geht nicht alles.

"Da Frauen nun mal keine Übermenschen sind, kann ich nicht zu 100 Prozent Berufsfrau, zu 100 Prozent Mutter und Hausfrau und zu 100 Prozent Partnerin sein. Das ist nie und nimmer zu schaffen. Denn dann bin ich innerhalb kürzester Zeit ein 300-prozentiges Wrack."

Renate Schmidt, SPD-Politikerin, ehemalige Bundesfamilienministerin, Mutter von drei Kindern und ausgebildete Programmiererin und Systemanalytikerin im Interview mit der Augsburger Allgemeinen: 'Weltfrauentag - Renate Schmidt: Frauen gehen zu oft Konflikten aus dem Weg', 08.03.2019.

Ansehen: Die perfekte Mutter gibt es nicht

Mental Load: So wirkt sich die mentale Belastung auf eure Gesundheit aus

Eine traurige Frau lehnt an einer Mauer. Habt ihr eine ständige To-do-Liste im Kopf, mit unsichtbaren Aufgaben, an die ihr denken müsst? Diese mentale Belastung nennt man auch Mental Load. Besonders Frauen und Mütter leiden darunter. Das könnt ihr dagegen tun ... | Bild: picture alliance/Westend61/William Perugini

Mental Load kann euch sogar krank machen. Eine dauerhafte mentale Belastung kann im schlimmsten Fall zu Depressionen und Burnout führen.

Wenn es zu einer hohen mentalen Belastung durch ständige unsichtbare Aufgaben und die damit verbundene Denkarbeit kommt, kann Mental Load krank machen. Symptome von zu viel Mental Load können unter anderem sein: Vergesslichkeit, Erschöpfung, Schlafstörungen, häufige Kopfschmerzen, Muskelverspannungen, Rückenschmerzen, ständige Unruhe und "Getriebensein", Nervosität, körperliche und seelische Anspannung, Magen-Darm-Probleme, Sodbrennen, häufige Infekte, Gewichtsveränderungen, Tinnitus, Migräne, hohe Reizbarkeit, hoher Bluthochdruck und Herzrhythmusstörungen.
Die psychische Belastung durch Mental Load kann im schlimmsten Fall sogar zu Angstzuständen, Depressionen und Burnout führen.

Anhören: Erste Hilfe für die psychische Gesundheit

Mental Load verringern: Wie ihr als Paar unsichtbare Aufgaben verteilen könnt

Ein Paar am Küchentisch, der Mann schreibt etwas auf, die Frau steht und lehnt sich auf den Mann. Habt ihr eine ständige To-do-Liste im Kopf, mit unsichtbaren Aufgaben, an die ihr denken müsst? Diese mentale Belastung nennt man auch Mental Load. Besonders Frauen und Mütter leiden darunter. Das könnt ihr dagegen tun ... | Bild: picture alliance/Westend61/Joseffson

In eurer Partnerschaft solltet ihr die Care-Arbeit gemeinsam aushandeln und euch beide zuständig fühlen. Mental Load könnt ihr aufteilen.

Sowohl Männer als auch Frauen können unter Mental Load leiden. Statistisch sind es allerdings Frauen, die eine höhere mentale Belastung tragen. Um Mental Load in der Partnerschaft gerechter zu verteilen, können diese Tipps helfen: 

  • Macht das Unsichtbare sichtbar. Setzt euch als Paar zusammen und überlegt, welche Aufgaben bei euch anfallen. Dabei unterstützen kann euch der Test der Initiative "Equal Care Day". Ihr könnt ihn beide ausfüllen und dadurch ins Gespräch kommen. Fragt euch, wer übernimmt Aufgaben, vielleicht auch aus reiner Gewohnheit, ohne sie zu hinterfragen? Es geht dabei nicht um Schuldzuweisungen.
  • Die Ergebnisse des Tests machen Mental Load sichtbar und helfen euch, euch und eure Aufgaben wertzuschätzen. Überlegt, wie ihr gemeinsam Aufgaben umverteilen könnt.
  • Ihr solltet nicht das Gefühl haben, dass ihr euch bei euren Aufgaben bloß gegenseitig helft. Wichtig ist, dass ihr euch gemeinsam zuständig fühlt. Weil ihr jetzt ein Kind oder Kinder habt, habt ihr ein neues Aufgabengebiet, das ihr bewältigen müsst und das euch als Paar vor neue Herausforderungen stellt. Diese Herausforderungen gilt es zusammen anzugehen. Es ist euer gemeinsames Projekt.
  • Sprecht einmal in der Woche über anfallende Aufgaben: Was ist konkret zu tun, wie lange dauern die Aufgaben, wer denkt daran und wer erledigt sie? Auch, wenn eine vollkommen gleiche Aufteilung nicht möglich ist, werden die Tätigkeiten so sichtbar und ihr könnt eurem Partner oder eurer Partnerin Danke sagen. Das bewegt schon viel.
  • Einmal im Monat solltet ihr darüber sprechen, was gut gelaufen ist, was nicht, wo ihr euch weiter einbringen wollt und wie ihr euch gefühlt habt, als ihr neue Tätigkeiten übernommen habt.
  • Lasst los, gebt Verantwortung ab und vertraut eurem Partner oder Partnerin, dass er oder sie sich auch gut kümmern kann.
  • Bleibt realistisch: Selbst, wenn am Anfang etwas nicht so gut klappt, als hättet ihr es selbst erledigt: Was soll passieren? Es wird niemand sterben und die Welt wird nicht untergehen.
  • Kommt ihr gar nicht mehr gemeinsam weiter, kann euch auch eine Paartherapie helfen.

Quelle:
Einige der Tipps basieren auf dem Buch: "Raus aus der Mental Load-Falle: Wie gerechte Arbeitsteilung in der Familie gelingt." Cammarata, Patricia: Beltz Verlag, Weinheim Basel, 2020.

Mental Load in der Partnerschaft reduzieren: Ein Partner sollte ein komplettes Themenfeld übernehmen.

"Da bin ich bei dem Fragebogen von 'Equal Care Day' und dem Aushandeln des ganzen Themas 'Familienarbeit'. Es geht darum, keine Stückchen zu übernehmen, sondern ein ganzes Projekt. Zum Beispiel: Ich übertrage jetzt das Projekt 'Hockey spielen' komplett an dich und da bin ich raus. Das heißt, du besorgst das Outfit, du fährst zu den Spielen, du redest mit dem Trainer. Es geht um ganze Themenfelder, die der Partner übernehmen sollte, eine Projektaufteilung von A bis Z."

Dr. Simone Frohwein, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Psychotherapie Klinik Hohes Licht Oberstdorf

Ansehen: Was ihr gegen Mental Load tun könnt

Weitere Tipps: So könnt ihr Mental Load verringern

  • Das ständige Denken an Aufgaben, und die Belastung dadurch, lassen sich durch körperliche Aktivität reduzieren: Durch Bewegung an der frischen Luft, zum Beispiel Nordic Walking. Durch die Integration von Entspannungsübungen, Autogenem Training, Meditation und Achtsamkeitsübungen in euren Alltag.
  • Macht euch bewusst, was alles in eurer Verantwortung liegt. Schreibt alle eure Aufgaben auf - vor allem die, die für andere unsichtbar sind, aber auch dazu gehören. Zeigt die Liste eurem Partner oder eurer Partnerin und eurer Familie. Versucht, die Aufgaben anders zu verteilen.
  • Macht euch klar: Dass ihr erschöpft seid, ist nicht euer persönliches Defizit.
  • Überlegt: Was wollt ihr? Und was nicht? Wie könnt ihr eure Bedürfnisse umsetzen? Sprecht mit eurem Partner oder eurer Partnerin und versucht, euch Zeit für Dinge zu verschaffen, die euch wichtig sind.
  • Nehmt euch Auszeiten für Freunde, Wellness und Sport, um neue Energie zu sammeln. Auch kleine Auszeiten, wie zum Beispiel einen Kaffee zu genießen, euch auf den Balkon oder in den Garten zu setzen oder zu baden, sind hilfreich. Habt dabei kein schlechtes Gewissen, weil ihr euch gerade nur um euch selbst kümmert. Ihr dürft genau das, es tut euch gut.
  • Akzeptiert euch so, wie ihr seid. Erkennt an, dass nicht alles geht. Niemand ist perfekt und ihr müsst auch nicht perfekt sein.
  • Zu viel Selbstoptimierung schadet euch, schraubt Ansprüche an euch und andere herunter und steckt euch realistische Ziele.
  • Erlaubt euch selbst, auch mal zu scheitern. Macht euch nicht klein und geht trotzdem liebevoll mit euch um.
  • Hinterfragt, warum ihr Dinge so macht wie ihr sie macht. Steckt vielleicht der Wunsch nach Anerkennung dahinter? Wollt ihr die Vorstellungen anderer erfüllen?
  • Lernt, "nein" zu sagen. Schätzt euch, habt euch gern und sorgt gut für euch selbst, nur dann könnt ihr auch für andere Fürsorge übernehmen.
  • Vergleicht euch nicht mit anderen.
  • Lasst, wenn möglich, Sachen weg, die ihr nicht gerne macht oder die euch zu viel sind. Sind sie denn überhaupt wichtig? Wenn sie wirklich getan werden müssen: Könnt ihr sie auslagern? Holt euch Hilfe: in der Familie, bei Freunden, Nachbarn oder genau darauf spezialisierten Dienstleistern. 

Quelle:
Einige der Tipps basieren auf dem Buch: "Raus aus der Mental Load-Falle: Wie gerechte Arbeitsteilung in der Familie gelingt." Cammarata, Patricia: Beltz Verlag, Weinheim Basel, 2020.

Mental Load: Was sollte sich gesellschaftlich ändern?

"Wenn wir als Gemeinschaft sagen würden, dass das sich Kümmern um andere, sei es im Sinn von Erziehung oder Pflege, oder sogar beides, Arbeit ist, und wir das auch als Arbeit benennen, dann würde ich als Frau, die ihr erstes Kind bekommt, wissen, dass ich jetzt zu meinem Job eine zusätzliche Arbeit habe. Solange wir aber immer noch sagen, das ist ja Arbeit aus Liebe, und so lange wir immer noch so tun, als wäre es vereinbar und leistbar, ändert sich nichts. Es ist einfach nicht ohne Weiteres leistbar, weil der Tag immer noch nur 24 Stunden hat. Frauen dürfen, wollen und sollen erwerbstätig sein, sie sind aber an keiner Stelle von ihren Zuständigkeiten entpflichtet und erfahren die gleichen Zuschreibungen wie unsere Mütter oder Großmütter. Da zeigt sich schon im Zeitbudget, dass das nicht möglich ist."

Elke Hüttenrauch, Diplom-Pädagogin und Geschäftsführerin Klinik Hohes Licht Oberstdorf

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