Tipps gegen Blackout Was ihr bei Prüfungsangst tun könnt

Von: Marisa Gierlinger

Stand: 10.11.2023

Wochenlang gelernt und wenn's drauf ankommt, ist der Kopf leer: Welche Symptome und Ursachen stecken hinter Prüfungsangst? Wir verraten euch Tipps, die bei Prüfungsstress und Versagensangst helfen - und was Medikamente bringen. Bye-bye, Blackout!

Eine Jugendliche sitzt verzweifelt bei der Klausur. Leidet auch ihr unter Prüfungsangst? Hier erfahrt ihr mehr über die Ursachen und Symptome. Und: Mit welchen Tipps ihr Versagensangst und Stress loswerdet - auch ohne Medikamente. Bye-bye, Blackout! | Bild: picture alliance/Shotshop | Monkey Business 2

Was ist Prüfungsangst? Leerer Kopf trotz Lernen

Die Gedanken rasen, die Hände schwitzen. Seit Tagen habt ihr nicht mehr gut geschlafen. Und jetzt sitzt ihr da und sollt abliefern. Bei dieser einen, alles entscheidenden Klausur. Und ihr habt es ja gelernt, wochenlang! Aber jetzt ist plötzlich alles weg, blanko. Prüfungssituationen erzeugen vermutlich bei jedem eine gewisse Anspannung und Nervosität. Von Prüfungen kann immerhin einiges abhängen: die nötige Abinote für euer Wunschstudium, der Führerschein, mit dem ihr leichter zu euren Freunden oder zur Arbeit kommt. Bei manchen Menschen aber ist der Druck so schlimm, dass er zu Denkblockaden, Panikausbrüchen und zum völligen Blackout führt. Dann spricht man von Prüfungsangst.

Experten sind sich ziemlich einig, dass es sich bei Prüfungsangst um keine krankhafte Angststörung handelt, sondern vielmehr um eine emotionale Ausnahmesituation, die nur im Zusammenhang mit der Prüfung entsteht. Sie kann aber zu sehr ernsthaften psychosomatischen Beschwerden führen. Je nach Person und Situation äußert sich Prüfungsangst ganz unterschiedlich.

Video: Wie kann man Prüfungsangst überwinden?

Ursachen von Prüfungsangst: Leistungsdruck und Versagensangst

Hinter Prüfungsangst können unterschiedliche Ursachen stecken. Ihr habt Angst, zu scheitern, weil euer Traumjob davon abhängt. Ihr wollt eure Eltern nicht enttäuschen. Ihr habt schlechte Erfahrungen bei anderen Prüfungen gemacht, und Angst, dass diese sich wiederholen. Vielleicht liegt es sogar am Prüfer selbst. Matthias Angstwurm ist Oberarzt und bildet an der LMU Medizinstudenten aus. Das Thema Prüfungsangst liegt ihm am Herzen. Seit Jahren bietet er Vorbereitungs- und Bewältigungskurse an und macht Umfragen unter seinen Studenten. Sie zeigen, dass fast jeder zweite Student von Prüfungsangst betroffen ist, und manche Gruppen stärker als andere. Die drei Hauptfaktoren seien allerdings:

  • Druck von außen, also den Eltern oder auch Mitstudenten. Das betreffe nicht nur leistungsschwache, sondern vor allem leistungsstarke Studenten und deren Erwartungshaltung.
  • Finanzielle Belastung, zum Beispiel durch BAföG oder andere Geldsorgen während des Studiums.
  • Die eigene Konstitution: Manche Studenten bringen bereits psychische Vorbelastungen mit, sind vielleicht depressiv oder sozial isoliert. Andere sind generell resilienter oder selbstsicherer.

Bei Studenten: Wer hat Prüfungsangst?

"Frauen haben tendenziell mehr Prüfungsangst als Männer. Auch die Abiturnote spielt eine gewisse Rolle - für diejenigen, die schlechter abgeschnitten haben, aber insbesondere auch für solche, die super waren. Auch ob die Muttersprache deutsch ist, oder nicht, spielt natürlich eine Rolle. Nicht-Muttersprachler, die in Deutschland studieren, die haben da einen substanziellen Nachteil, gerade auch bei mündlichen Prüfungen. Die Sprache kann dann als zusätzliche Hürde den Druck erhöhen. Sie schneiden oft auch schlechter ab."

PD Dr. med. Matthias Angstwurm, Institut für Didaktik und Ausbildungsforschung in der Medizin, LMU Klinikum

Video: Wenn Stress auf den Magen schlägt

Symptome: So wirkt sich Prüfungsangst auf euren Körper aus

Auch vor oder während Prüfungen versetzt Stress unseren Körper in Alarmbereitschaft. Das kann durchaus positive Auswirkungen haben und sogar die Leistungsfähigkeit steigern. Der Organismus geht in den Kampf-oder-Flucht-Modus, das autonome Nervensystem schaltet sich ein. Die überschüssige Energie, die dadurch produziert wird, können wir aber nicht immer optimal verwerten oder abbauen. Das kann zu psychosomatischen Beschwerden führen wie Übelkeit, starkem Schwitzen, Schwindel, Kopf- oder Rückenschmerzen. Dazu kommen emotionale und kognitive Symptome: Gefühle der Ohnmacht und des Nicht-Genügens, Gedanken wie "Ich schaffe das doch nie, ich versteh nicht mal die Frage!". Viele fürchten, dass es zum Blackout kommt: dem scheinbar völligen Aussetzen zu denken oder zu handeln.

Erklärung: Das passiert bei einem Blackout

"Ein Blackout ist ein kurzfristiger Gedächtnisverlust, der in Situationen höchster geistiger Anstrengung entsteht, in Folge einer starkenErregung. Solche Aussetzer können jeden treffen, unabhängig von der Qualität der Prüfungsvorbereitung, der Routine, der Nervosität etc. Auch geübte Redner sind gelegentlich davon betroffen. Bei einem solchen Aussetzer kann das Gelernte kurzfristig nicht aus dem Gedächtnis abgerufen werden. In solchen Situationen ist es wichtig zu lernen, die Anspannung zu reduzieren und die Situation realistisch zu bewerten."

Dr. Irene Warnecke, Psychotherapeutin, in: Prüfungsangst bewältigen: Ein Trainingsprogramm in sieben Schritten, 2017

Experten-Tipps: Was hilft gegen Prüfungsangst?

In der Vorbereitungszeit

  • Erkundigt euch im Vorfeld gut über die Prüfungsmodalitäten: Wie groß ist der zeitliche und thematische Umfang, wie sind die Formalitäten? Was genau wird erwartet? Wo und wie findet die Prüfung statt? Wenn ihr den Ort nicht kennt, besucht ihn schon einmal vorher und übt den Weg dorthin
  • Stellt euch unterschiedlich (schwierige) Prüfer und Fragen vor. Wie würdet ihr worauf reagieren?
  • Achtet auf euer Zeitmanagement bei der Vorbereitung: Erstellt rückwärts, von der Prüfung ausgehend, einen Zeitplan. Plant Lernphasen und Pausen ein, achtet dabei auf euren Biorhythmus.
  • Organisiert euer Lernmaterial und eure Methoden. Welcher Lerntyp seid ihr?
  • Stärkt euer Selbstwertgefühl. Was sind eure Stärken, was gelingt bei Prüfungen gut?
  • Achtet in der Vorbereitungsphase auf euch. Plant genug Pausen, Freizeit und Gesellschaft ein.
  • Macht euch Fortschritte und auch kleine Erfolge bewusst.
  • Vermeidet negative Denkmuster. Sie blockieren euch beim Lernen und werden schnell zu selbsterfüllenden Prophezeiungen.
  • Erkennt eure Angstgedanken - und korrigiert sie, wenn möglich. Unsere Gedanken bestimmen unsere Gefühle und unser Verhalten.
  • Kommt zur Ruhe: Entspannungstechniken wie Atemübungen, Yoga oder Meditation können dabei helfen.
  • Akzeptiert negative Emotionen und auch körperliche Reaktionen. Es geht vorbei. Euch passiert nichts Schlimmes. So könnt ihr lernen, Angstgefühle als weniger bedrohlich wahrzunehmen.
  • Geht raus und bewegt euch! Sport reduziert nachweislich die Ausschüttung von Stresshormen und baut überschüssige Energie ab. Ein Spaziergang in der Natur wirkt sich positiv auf die Psyche aus.

Kurz vor und während der Prüfung

  • Lernt auf den letzten Drücker nichts Neues mehr. Wiederholt nur dann, wenn euch das gut tut. Oder aber ihr verbringt den Tag mit etwas Schönem.
  • Legt euch am Vortag alles zurecht, was ihr für die Prüfung braucht. Eventuell auch Kleidung.
  • Geht nicht zu spät ins Bett, aber auch nicht zu früh! Wenn ihr im Bett liegt, ohne müde zu sein, ist das ein Einfallstor für Grübeleien.
  • Steht am Prüfungstag rechtzeitig auf und frühstückt ein wenig, auch wenn ihr keinen Hunger habt. Euer Gehirn braucht Nahrung.
  • Plant genug Zeit für den Weg und mögliche Verzögerungen ein.
  • Besprecht die Prüfung kurz davor nur dann mit Kommilitonen, wenn euch das gut tut.
  • Schriftliche Prüfungen: Geht die Fragen erst durch. Beginnt mit der für euch einfachsten. Denkt an euer Zeitmanagement und plant, wenn möglich, kleine Pausen ein um z.B. Wasser zu trinken. Verfallt nicht ins Grübeln und Angstgedanken, das kostet Zeit. Nutzt eure Bewältigungsstrategien.
  • Mündliche Prüfungen: Hakt nochmal nach. Formuliert die Frage zur Sicherheit in euren eigenen Worten nochmal, oder bittet um eine andere Einstiegsfrage. Prüfer sind menschlich - redet mit ihnen! In den allermeisten Fällen sind auch sie an einer guten Prüfung interessiert und gehen auf euch ein.
  • Im Fall eines Blackouts: Keine Panik. Denkt dran, der Prüfer hat das vermutlich selbst schon erlebt. Atmet tief durch. Akzeptiert das Blackout, es ist keine Katastrophe. Wichtig ist, dass ihr weitermacht!
  • Wenn euch die richtige Antwort nicht einfällt, dann redet über etwas anderes, was zum Thema passen könnte. So beweist ihr euer Wissen und kommt ins Reden.

Mittel gegen Prüfungsangst: Was bringen Medikamente und Therapien?

"Es gibt ja manche Leute, die sagen, man soll gegen den Stress Medikamente nehmen. Betablocker zum Beispiel, um die Herzfrequenz zu reduzieren. Das würde ich auf keinen Fall empfehlen. Das ist was, was eher deutlich kontraproduktiv ist. Umgekehrt natürlich, wenn jemand aufgrund irgendwelcher anderen Erkrankungen dauerhaft Medikamente nimmt, dann soll er die natürlich weiter nehmen. Weil wenn er das nicht nimmt, dann ist er aufgrund der Erkrankung plötzlich schlechter leistungsfähig im Rahmen der Prüfung. Das wäre auch kontraproduktiv. Aber dass man sagt, es ist eine Erkrankung, die ich medikamentös wirklich behandeln muss, da würde ich sehr davor warnen. Wenn es ins Krankhafte geht, kann aber eine Gesprächs- oder Verhaltenstherapie Sinn machen."

PD Dr. med. Matthias Angstwurm, Institut für Didaktik und Ausbildungsforschung in der Medizin, LMU Klinikum

Beste Tipps gegen Prüfungsangst: Top Vorbereitung und richtiges Mindset

Eines der besten Mittel gegen Prüfungsangst ist eine gute Vorbereitung. "Und die meisten wissen, wann sie gut vorbereitet sind. Die Leute bereiten sich nicht vor und gehen trotzdem zur Prüfung. Das ist blöd und tut nichts Gutes für die Prüfungsangst", sagt Matthias Angstwurm. Allerdings kann die Angst schon weit vorgreifen und einen beim Lernen lähmen. Die Konzentration fällt schwer, Angst und Druck steigen - zurecht, weil man sich schlecht vorbereitet fühlt. Ein Teufelskreis. Prüfungsangst wird vor allem da zum Problem, wenn es zu Vermeidungsverhalten kommt, sich Studenten also von der Prüfung abmelden oder gar das Studium hinschmeißen. "Wer massiv unter Prüfungsangst leidet, schneidet auch schlechter ab", hat Matthias Angstwurm festgestellt. Und dass sich das nicht in die Praxis überführen lasse: Bessere Leistungen im Studium würden keine besseren Ärzte hervorbringen.

Matthias Angstwurm fand in seinen Erhebungen heraus, dass die Prüfungsangst auch davon abhängt, wie realistisch die Studenten ihre eigene Leistung einschätzen: je realistischer, desto geringer die Angst. Deshalb sei es wichtig, auch Prüfungssituationen selbst vorweg zu simulieren und einzuüben. Angstwurm rät dazu, solche Angebote während der Ausbildung unbedingt anzunehmen. Je realer die Simulation, desto besser. Aber auch mit Kommilitonen, Geschwistern oder Eltern könnt ihr die Situation einüben. Übung macht den Meister, und: Auch das Feedback eures Prüfers bringt euch weiter.

Das beste Mittel: Mit Prüfungen gegen die Prüfungsangst

"Je mehr Prüfungen man macht, umso weniger aufgeregt ist man. Und umso leistungsfähiger wird man."

PD Dr. med. Matthias Angstwurm, Institut für Didaktik und Ausbildungsforschung in der Medizin, LMU Klinikum

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