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Spanien Was wird aus Katalonien?

An jedem Wochenende treffen sie sich im Zentrum von Barcelona: Urban Sketcher, Zeichner, die Alltagsszenen aus ihrer Stadt festhalten. In diesen Wochen geht es nur um ein Thema – die Unabhängigkeitsdebatte in Katalonien.

Von: Stefan Schaaf

Stand: 09.11.2014 | Archiv

Eine Zeichnung des Museums El Born | Bild: BR

Sie spaltet die Gesellschaft.

"Alle reden derzeit über Politik, die Unabhängigkeit. Ständig gibt es Demonstrationen, und es wird dauernd diskutiert."

Santi Sallés, Urban Sketcher

Eine Ansicht vom Museum El Born – für Separatisten fast eine heilige Stätte, denn hier werden Barcelonas Stadtmauern aus dem Jahre 1714 wie Reliquien ausgestellt. Damals musste sich Barcelona im spanischen Erbfolgekrieg den Truppen der Bourbonen ergeben – und die Katalanen verloren ihre Autonomie. Bis zum heutigen Tag wird diese Niederlage zum Mythos stilisiert.

So war es auch am 11. September in diesem Jahr – genau 300 Jahre nach der letzten verlorenen Schlacht demonstrieren fast zwei Millionen Katalanen in Barcelona. Sie fühlen sich als eigenständiges Volk mit eigener Geschichte, und sie sehen den spanischen Zentralstaat in Madrid als Gegner.

"Wir wollen Unabhängigkeit, seit 300 Jahren kämpfen wir dafür. Der spanische Staat bremst uns in unserer Entwicklung, in unserer Zukunft."

Artur Mas

Artur Mas

Er ist die politische Speerspitze des Separatismus: Kataloniens bürgerlicher Ministerpräsident, Artur Mas, unterzeichnete Ende September das Dekret über eine Volksbefragung am 9. November; die Katalanen sollten über die Unabhängigkeit abstimmen können.

Doch nur zwei Wochen später muss Artur Mas dieses Referendum wieder absagen. Die Regierung in Madrid hatte dagegen geklagt, es verstoße gegen die Verfassung. Das oberste Gericht hat die Befragung ausgesetzt, Madrid vorerst gewonnen. Nun gibt es höchstens eine symbolische Abstimmung.

Artur Mas hat sich verkalkuliert, aber für ihn ist der Hauptschuldige klar: die spanische Regierung in Madrid.

"Warum befürworten immer mehr Menschen die Unabhängigkeit? Weil der spanische Staat zu allem Nein sagt. Er verhält sich sehr negativ, sehr despektierlich. Es fehlt der Respekt."

Artus Mas, Ministerpräsident Katalonien

Ein Blick auf Barcelona: Katalonien ist die stärkste Region Spaniens, sie erwirtschaftet fast 20 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Uns allein ginge es besser, finden viele.

Friedemann Hoffmann

Doch Unternehmen sehen die Debatte mit gemischten Gefühlen, etwa die Firma MCI. Hier werden moderne LED-Leuchten gefertigt. Was bedeutet es für den Betrieb, wenn ein unabhängiges Katalonien nicht sofort in der EU wäre – das fragt sich der deutschen Firmengründer, Friedemann Hoffmann.

Er führt die Firma seit 40 Jahren, zu ihren Kunden zählen respektable Adressen, Hotels oder Flughäfen, und ein Renommierprojekt: die Pilgerstätten Mekka und Medina in Saudi Arabien.

Hoffmann ist einer der wenigen Unternehmer, die sich offen und skeptisch zur Unabhängigkeit äußern.

Die Gegner der Unabhängigkeit bleiben in Katalonien eher unsichtbar – in der Societat Civil Catalana haben kritische Stimmen ein Forum gefunden. Hier beklagt man den "Virus des Populismus", die Gleichschaltung vieler Medien in Katalonien – abweichende Meinungen würden unterdrückt.

"Man hat Angst um das Geschäft oder die berufliche Karriere. Deswegen äußern sich kritische Stimmen nur selten, und das ist für uns besorgniserregend."

Joaquim Coll, Societat Civil Catalana

Bei den Stadtzeichnern von Barcelona befürworten die meisten Künstler die Unabhängigkeit. Jeder hat seine eigenen Gründe, historische, kulturelle oder schlicht ökonomische. Aber wichtig ist allen: sie wollen abstimmen.

"Der 9. November wird so oder so ein wichtiger Tag sein, weil er ein weiterer Schritt vorwärts ist, dorthin, wohin wir gelangen wollen."

Victor Martinez-Escámez, Urban sketcher

Und dann stimmen sie eine katalanische Hymne an und zeigen sich Zeichnungen von den letzten Demos. Es herrscht eine aufgewühlte Stimmung in Katalonien. Die Unabhängigkeitsfrage wird das Land weiter polarisieren.


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